Goodbye Deponia
Etwas melancholisch gestimmt war man als Adventurefan ja schon, als die traurige Nachricht publik gemacht wurde, dass die legendäre Spieleschmiede „LucasArts“ von Disney endgültig geschlossen wurde (verteufelt sei der Mäusekonzern!!). Zugegeben: Die Hochphase des Entwicklerstudios lag schon viele Jahre zurück und mit dem grandiosen Humor oder dem vorbildhaften Innovationsgeist vergangener Tage, hatten die letzten Spiele sowieso nicht mehr viel zu tun. LucasArts entwickelte sich immer mehr vom kultigen, ideenreichen Vorreiter der Spielebranche zum langweiligen Lizenzverwurster, der in kurzen Abständen immer neue, bestenfalls durchschnittliche Star Wars Titel auf den Markt warf oder lediglich als Publisher von Fremdentwicklungen anderer Studios in Erscheinung trat. Traurig ist der Verlust des Studios, wenn auch nur aus kindlicher Nostalgie, trotzdem…
Doch umso erfreulicher ist da die Tatsache, dass ein deutsches Entwicklerstudio mit dem eingängigen Namen Daedalic den Geist der alten LucasArts Titel wieder zum Leben erweckt hat und darüber hinaus manche der zeitlosen Klassiker in Sachen Qualität und Humor sogar noch übertreffen konnte. Die Geschichte des Studios begann im Jahre 2008, als der eifrige Spieleentwickler Jan Müller-Michaelis („Poki“) mit „Edna bricht aus“ eines der besten Adventures der letzten Jahre quasi im Alleingang entwickelte (es war das Resultat seiner Diplomarbeit „Das Computerspiel als nichtlineare Erzählform“) und veröffentlichte. Das Spiel war zugegebenermaßen verdammt schwer und nicht unbedingt hübsch anzusehen – ein Adventure der alten Schule eben. Doch obgleich das Genre für manche ziemlich angestaubt erscheinen mag, konnte Poki mit seinem wunderbar absurden Spiel schnell eine vergleichsweise große Fanbase generieren, was wohl vor allem dem überaus intelligenten, äußerst schwarzhumorigen Dialogwitz des Spieles zu verdanken ist. Es folgten weitere Spiele mit stets sehr hoher Qualität, auch wenn der anarchische Witz des Debuts leider nicht mehr völlig reproduziert werden konnte. Dafür wurden die Adventures einen Tick einfacher, besser ausbalanciert und hochwertiger in Lokalisation und Grafik.
Nach dem großen Erfolg von „Harveys neue Augen“(Gronkh hat durch seine Let's plays einen Großteil dazu beigetragen), entschied sich Jan Müller-Michaelis eine ganze Adventure Trilogie zu entwickeln, in deren Zentrum ein chaotischer, aber liebenswerter Trottel namens Rufus steht, der den Schrottplaneten Deponia verlassen und dafür im paradiesischen Elysium wohnhaft werden will. Seine Fluchtversuche sind von allerhand Unfällen geprägt und erst als eine bildhübsche Elysianerin auf seinem Planeten landet, ergeben sich reelle Erfolgschancen. Eine abenteuerliche Reise beginnt, die ihn u.a. bereits von seinem Heimatort hin zu einem Schrottminensystem („Deponia“) geführt und ihn auf dem schwimmenden Schwarzmarkt („Chaos auf Deponia“) vor allerhand schwierige Aufgaben gestellt hat.
Nahtloser Anschluss
Starteten die Vorgänger noch eher gemächlich und vergleichsweise unspektakulär, liefert der Abschluss der Trilogie gleich in den ersten Spielminuten ein wahres Actionfeuerwerk ab. Denn dank einer genialen Idee unseres selbstlosen Lieblingshelden Rufus, befindet sich der Kutter von Bozo und Doc mitten auf einer Trasse des Organon, die den Freunden einen direkten Weg nach Porta Fisco weisen soll. Dumm nur, dass ein gefährliches Patrouillefahrtzeug der fiesen Maskenträger direkt hinter dem sowieso schon eher baufälligen Kutter der Protagonisten auftaucht und diesen um sein Dach erleichtert. Gemeinsam mit Goal muss Rufus nun seine zuvor provisorisch erdachte Trassen-Befestigung lösen, sonst droht den vieren der sichere Tod. So rasant war ein Adventure-Einstieg selten! Generell muss man dem dritten „Deponia“ Teil ein gewisses Maß an epischer Größe attestieren, die schon in der ersten Filmsequenz des Spieles deutlich zu spüren ist und sich über den weiteren Spielverlauf immer weiter intensiviert. Die Handlung hat natürlich wieder eine Vielzahl unterschiedlicher Schauplätze zu bieten, die allesamt hübsch gezeichnet und sinnvoll in die Story integriert wurde.
Intelligentes Rätseldesign dank dreigeteiltem Rufus
Wo sich der Vorgänger noch an der Struktur des grandiosen zweiten Monkey Island Teils orientierte, es gab so beispielsweise die Möglichkeit zwischen diversen Inseln hin und her zu wechseln, diente dem Abschluss der Trilogie offenkundig das Kultadventure „Day of the Tentacle“ als Vorbild. Das geht über eine einfache Hommage weit hinaus, da im Grunde das wichtigste Element des 90er Jahre Adventures praktisch eins zu eins übernommen wurde: Die Möglichkeit jederzeit den Charakter zu wechseln. Zugegeben, ganz richtig ist diese Feststellung nicht, denn jede dieser drei Figuren trägt den Namen Rufus und ist ein egozentrischer Chaoserzeuger. Doch spielmechanisch funktioniert das eben genau wie im ikonischen LucasArts Adventure „Day of the Tentacle“.
Das macht die anfangs noch sehr leichten, aber im weiteren Spielverlauf immer anspruchsvoller werdenden Rätsel angenehm kompliziert und sorgt nicht selten für echte Kopfnüsse. Kommt man mit einem Rufus gerade nicht weiter, muss man zu einem seiner beiden Klone wechseln und die Story bis zu eben jenem Punkt voran treiben, an dem der andere sich zur Zeit in einer Sackgasse befindet. Obwohl die Rätsel also ungemein anspruchsvoll und über drei Handlungsebenen verteilt sind, werden sie niemals unfair oder frustrierend – hier ist der schwierige Balanceakt einwandfrei geglückt! Generell wurde das Niveau der Denkaufgaben im direkten Vergleich zum Vorgänger deutlich angehoben. Außerdem sind die Rätsel etwas logischer geraten und erfordern nicht mehr so viel skurriles Rumprobieren. Überaus bescheuert (im positiven Sinne) sind manche der Rätsel aber serientypisch dennoch geraten, allerdings sind diese cleverer konstruiert als im Vorgänger. Die Aufgaben gehen über die üblichen "Such und Finde Rätsel" weit hinaus, denn „Goodbye Deponia“ hat einige der originellsten Rätsel der letzten Jahre zu bieten! Ob man nun für eine zwielichtige Wäschesekte „Reliquien“ beschafft oder einem seiner Freunde ein semi-tödliches Gericht zubereitet, die Aufgaben bleiben stets unterhaltsam, skurril und überaus intelligent.
Dialoge und Sprecher zum Niederknien
Die lustigen Konversationen waren stets die Highlights in Pokis Adventures und so sind es auch dieses mal die mal albernen, mal schwarzhumorigen, aber stets intelligenten Gespräche der Bewohner der Spielwelt, die den typischen Daedalic-Charme ausmachen und für eine unglaublich spaßige Grundstimmung sorgen. Kein noch so unbedeutender Nebensatz wurde von den Machern vernachlässigt und die Gags prallen im Sekundentakt auf die Lachmuskeln der Spieler nieder.
So erreicht der Humor im dritten Teil definitiv Sphären, in die bislang kein anderes Adventure einzudringen vermochte. Mit einer unfassbaren Geschwindigkeit wird der Spieler mit einer urkomischen Absurdität nach der anderen regelrecht torpediert, was dafür sorgt, dass kein Auge trocken bleiben sollte. Doch trotz der gehörigen Portion Nonsens bleibt der Humor stets intelligent und voller popkultureller Anspielungen – im Grunde so wie man es von Pokis Daedalic Titeln gewöhnt ist.
Ein überaus intelligentes Script
Was ebenfalls nicht fehlen darf, sind einige wirklich emotionale Momente, in denen die eigentlich düstere Geschichte ein unerwartet hohes Maß an Melancholie erreicht. Das Drehbuch kombiniert also eine gehörige Portion Ernsthaftigkeit, mit unverschämt lustigem Humor und jeder Menge Warmherzigkeit. Diese Zutaten lassen eines der ausbalanciertesten und darüber hinaus besten Spielescripts entstehen, die je geschrieben wurden! Die Gesellschaftskritik der Vorgänger ist im dritten Teil zudem noch viel präsenter geworden und die Entwickler entwerfen, ganz ohne dabei deprimierend zu sein , einen höchst pessimistischen Blick auf die Menschheit und deren Zweiklassengesellschaft. Diese Metabotschaft macht „Goodbye Deponia“ zu einem der intelligentesten und zugleich wichtigsten Adventuretitel der letzten Jahre! Poki verpackt seine dezidiert satirische Gesellschaftskritik wieder einmal gekonnt im absurden Setting und den zahlreichen Dialogen, die ihren kritischen Anspruch oftmals hinter einer gehörigen Portion Lakonie zu verbergen wissen. Deshalb entpuppt sich „Goodbye Deponia“ eben durchaus auch als ein überaus wichtiger antikapitalistischen Kommentar. Hut ab!
Humorige Atmosphäre trotz düsterer Grundgeschichte
Unbedingt angesprochen werden sollte der lustige Umstand, dass mit dem harten Actionthriller „Elysium“ im August ein Film die Kinos erreichte, der im Grunde die gleiche Geschichte erzählt und quasi das düstere Äquivalent zur Deponia-Trilogie darstellt. Wie Rufus lebt auch Matt Damons Figur Max auf einem Planten (der Erde), der längst zu einer Mülldeponie verkommen ist und größtenteils aus Ghettos besteht. Und wie Rufus will auch er das sagenumwobene Elysium erreichen, das selbst optisch der Deponia Version erstaunlich nahe kommt. Fans von Deponia sollten sich Elysium deshalb ruhig mal anschauen, da sehr schön illustriert wird, auf welch unterschiedliche Art und Weise man eine ähnliche Grundprämisse umsetzen kann.
Die Grafik ist bereits aus den Vorgängern bekannt und wurde quasi unverändert übernommen. Allerdings wurde ihr an den richtigen Stellen ein subtiler Feinschliff verpasst, weshalb die stimmungsvollen Bildern noch einen Tick perfekter erscheinen. Lediglich die Bewegungen der Hauptfiguren wirken ab und an noch etwas hölzern - obgleich es eine Vielzahl neuer Bewegungsanimationen gibt -, doch das sei dem Spiel verziehen. Gesteuert wird „Goodbye Deponia“ mit der ebenfalls aus den Vorgängern bekannten, ganz typischen Maussteuerung. Zu Beginn kann man sich zudem zwischen einem klassischen „Klickinventar“ und einem Inventar, das mit dem Mausrad geöffnet werden kann entscheiden.
Erfahre hier, wie der Titel in unserer Wertung abgeschlossen hat.
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Erstellt von George Stobbart
Zuletzt online: 7 Jahre 2 Monate
Kategorie:
Test
Veröffentlicht
Aktualisiert
12. 11. 2013 um 18:25
12. 11. 2013 um 18:25
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