Überschaubar, aber effektiv
Das Gameplay ordnet sich der Erzählung unter und kommt somit recht überschaubar daher. Im ersten Kapitel werden die Grundlagen des Gameplays eingeführt und in stimmigen Gewand präsentiert, ohne dass das Spiel dabei belehrend wirkt. Ein Großteil von „A Plague Tail“ wird im Stealth-Modus bestritten, wobei Bruder Hugo entweder an der Hand geführt werden muss, oder, je nach Situation, losgelassen werden kann um Aufgaben zu bewältigen. So kann er beispielsweise durch kleine Löcher in der Wand hindurchkriechen, um die Tür von der anderen Seite für Amicia zu öffnen. Diese Einsatzmöglichkeiten variieren jedoch von Kapitel und Kapitel, wodurch im kleinen Rahmen für Abwechslung gesorgt ist. In den angesprochenen Stealthpassagen kann die Spielwelt auf verschiedene Art und Weise genutzt werden. So ist trotz der stringenten Erzählweise für ausreichend Variation in den Schleichsequenzen des Spiels gesorgt. Das Spielgeschehen wird dabei aber auch durch Verfolgungspassagen aufgelockert, in denen schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen, die meist durch einen aufwühlenden Soundtrack unterlegt sind.
Als Waffe hat Amicia eine Steinschleuder, mit der nicht nur Gegner ausgeschaltet werden, sondern auch umliegende Objekte zur Ablenkung als Zielscheibe dienen können. Da die Ratten sich nur mit Licht bekämpfen lassen, müssen immer wieder neue Lichtquellen geschaffen werden. Der Druck zum Handeln wird dabei situativ erhöht, indem manche Lichtquellen nur eine gewisse Zeit Licht spenden können. Alicia eignet im Laufe des Spiels immer mehr alchemistische Fähigkeiten an, was dazu führt, dass verschiedene Arten von Wurf- und Schleudergeschossen entwickelt werden können. So gibt es beispielweise eine Substanz, mit der weit entfernte, ausgebrannte Lagerfeuer wieder entfacht werden können. Zur Herstellung dieser Substanzen und zur Verbesserung des Inventars können in der Spielwelt verteilt Materialien und Rohstoffe gesammelt werden. An Werkbänken können diese dann zur Aufwertung des Rucksacks oder zum schnelleren Schleudern eingesetzt werden. Die Möglichkeiten der Verbesserung gestalten sich sehr überschaubar, bieten aber ausreichend Tiefe um die Motivation im Gameplay aufrecht zu erhalten. In den vereinzelten Kämpfen muss behutsam vorgegangen werden, denn jeder gegnerische Treffer bedeuten einen sofortigen Tod. Dadurch sorgen auch die unspektakulärsten Kämpfe für jede Menge Nervenkitzel, wobei die gegnerische KI hier und da Schwachpunkte deutlich macht. In den Schleichpassagen kann es vorkommen, dass Amicia entdeckt wird, obwohl sie sich in scheinbar sicherer Entfernung zum Gegner befindet. Dadurch kann die KI nur schwer eingeschätzt werden, was dem Spielfluss etwas im Wege steht. Solche Momente kommen jedoch verhältnismäßig selten vor und haben demnach keinen großen Einfluss auf den Gesamteindruck.
Erbarmungslosigkeit & Detailverliebtheit
Atmosphärisch ist “A Plague Tale“ ab der ersten Sekunde schlichtweg großartig. Schon das Menü gestaltet sich sehr stimmig, unterlegt mit einem wunderbaren Soundtrack entsteht schnell ein immersiver Charakter, der sich wie ein roter Faden durch das Spiel zieht. Anfangs wird noch ein helles Setting gewählt, eine sonnendurchflutete Waldlichtung suggeriert eine friedliche und idyllische Atmosphäre, mit der jedoch unmittelbar gebrochen wird. Der plötzliche Stimmungswechsel wird dabei auf akustischer Ebene verstärkt und veranschaulicht deutlich, welche Grundstimmung „A Plague Tale“ innehat. Auch grafisch lässt sich wenig meckern, zwar sind die Gesichtsanimationen etwas hölzern, die Kamera befindet sich die meiste Zeit aber in gesunder Distanz, sodass diese kleineren Probleme vernachlässigt werden können. Die Cutscenes sind toll inszeniert und auch die Lichtsetzung sorgt für einige beeindruckende Momente. Hinzu kommt die überzeugende Synchronisation der Spielfiguren, die sowohl in der englischen, als auch in der deutschen Version zum tollen Gesamteindruck beiträgt. „A Plague Tail“ zeigt einmal mehr, welche Wirkung eine liebevolle Detailarbeit haben kann. Viele AAA-Titel zeugen zwar von bombastischen Spielwelten und ausgefeilten Grafiken, den Charme eines Indie-Spiels können dabei aber nur die wenigstens Spieleblockbuster erreichen. „A Plague Tail“ bedient sich beider Seiten und entwirft ein atmosphärisches und packendes Gesamtwerk, dass abermals zeigt, welche erzählerischen Möglichkeiten Videospiele innehaben.