Panini Verlag präsentiert einen ersten Roman zum Frogsters Erfolgs-Game Runes of Magic: Rise of the Demon Lord auf der Leipziger Buchmesse. Der 352 Seiten starke Runes of Magic-Roman „Shareena“ (EVT 17. März) wird im Rahmen der Leipziger Buchmesse (18. bis 21. März) am eigenen Stand (Halle 2, Stand g 304) präsentiert. Zudem wird am Sonntag, 21. März noch ein RoM-Abschluss-Event auf der Messe geben: Auf dem „Schwarzen Sofa“ (halle 2) findet ein Bühnengespräch mit dem Autor Michael T. Bhatty statt, moderiert von Daniel Budiman (MTV/GameOne), mit anschließender Lesung aus dem Roman und Signierstunde (Zeit: 16 bis 17 Uhr).
Der Roman „Shareena“ ist eine atmosphärisch dichte und hoch dynamische Fantasy-Geschichte. Autor Michael T. Bhatty spielt hier seine ganze Erfahrung aus (in der Games-Szene ist er als erfahrener Schreiber bekannt, der unter anderem maßgeblich an Sacred mitwirkte und für Panini bereits zwei Romane der FarCry-Reihe verfasst hat), um die Elemente des Games zu einer spannenden Story zusammenzuführen und überzeugt erzählerisch wie auch sprachlich auf ganzer Linie.
Eine kostenlose Leseprobe findet im Klapptext. Für mehr Informationen besucht ihr den Stand auf der Leipziger Buchmesse oder tretet in Kontakt mit dem Verlag.
LESEPROBE...
Die Höhle im Toten Baum
Grünlich weißer Morgennebel stieg über dem dunklen Wasser des Sees auf. Die obersten Baumkronen begannen bereits zu leuchten, als die Sonne ihre ersten Strahlen über Hügel und Wälder des Landes schickte.
Shareena war die Nacht hindurch gelaufen. Dabei hatte sie das Bellen der Hunde immer wieder hinter sich gehört, mal näher, mal weiter entfernt, dann auf einmal wieder beängstigend nahe. Sie hatte einen Bachlauf passiert und sich an eine Lagerfeuergeschichte Laifs erinnert. Laif hatte von einem Bären erzählt, der seine Spuren dadurch verwischte, dass er immer wieder durch Bachläufe watete. Shareena hatte es dem Bären gleichgetan und die Jagdhunde hatten auf diese Weise schnell die Witterung verloren. Nach langen Momenten des Bangens war dann endlich auch das Bellen verklungen und das junge Mädchen war allein in der Finsternis der Nacht. Fremde Geräusche, Laute, die sie in ihren Nächten in der Siedlung nie zuvor vernommen hatte, umgaben sie. Rascheln im Laub und im Unterholz, immer wieder viel zu laut und viel zu nah, Rufe von Vögeln, nächtlichen Räubern, im Geäst über ihr, dann das Schlagen von Schwingen, ledern und schnell, mehr ein Flattern. Pfoten und Tatzen, ein Knurren in der Ferne, dann der heisere, erstickende Todesschrei eines Opfers.
Als das dunkle Grau der Nacht dem ersten Blau des nahenden Morgens gewichen war, hatte sie die Höhlen am See erreicht. Der See war klein, mehr ein Teich oder Tümpel, und vielen Wanderern gar nicht bekannt. Shareena war ebenfalls erstaunt, dass sie die Höhlen gefunden hatte, doch in der Dunkelheit war sie – das konnte sie nun an der aufgehenden Sonne sehen – viel weiter nach Osten gelaufen, als sie gedacht hatte. Sie vermutete, dass sie nun die Höhlen im Gebiet der Mondklamm erreicht hatte, östlich von Logar.
Die Höhlen vor ihr waren flach und klein, keine weitverzweigten Gänge, sondern eher ausgewaschene Felsüberhänge und kleine Kammern. Sie hatte beschlossen, erst am frühen Abend weiterzuwandern und kauerte sich eng zusammen, um die Kälte und ihr Furcht fernzuhalten. Tief war sie nicht in die Höhlen hineingehuscht, aus Furcht vor den Goblins, von denen alle immer noch sprachen, oder auch vor den Höhlenkrebsen, die die Minen immer wieder zum Einsturz brachten. Doch hier würde sie Schutz vor der Sonne finden, vor dem Licht, dass es jedermann möglich machen würde, sie auf ein, zwei Meilen hin zu sehen.
Erschöpft war sie mehrmals für wenige Augenblicke eingenickt, dann wieder mit klopfendem Herzen hochgeschreckt, immer in der Angst, ihre Häscher würden über ihr stehen. Erholung hatte der Schlaf nicht gebracht, doch zumindest kurze Augenblicke der Freiheit, in denen sie nicht wach sein musste, in denen sie nicht die Bilder der letzten Nacht immer wieder vor sich sah; Sybillas Schmerz und Alexander, dem sie sein eigenes Schwert in den Bauch gerammt hatte. Seine Augen, als sein Blick brach und sie sich gegen die Klinge gestemmt hatte, um ihn vollends zu töten ... Sie blickte an der Waffe herunter, die sie mitgenommen hatte. Der rostige Geruch von altem Blut klebte noch daran, doch seltsamerweise machte ihr das nichts aus. Das Schwein hatte den Tod verdient!
Das Schwert war schwer und sie war einige Male kurz davor gewesen, es einfach wegzuwerfen, weil es sperrig war und eine Last. Doch andererseits wusste Shareena auch, dass es ihre einzige Möglichkeit war, sich gegen die Schrecken zu verteidigen, die sie noch erwarten würden. Sie hatte Wölfe in der Ferne gehört und mit der ersten Sonne erwachten auch die Feuerkäfer, diese ochsengroßen Kreaturen, die das Land heimsuchten, wieder zum Leben. Hin und wieder sah sie bereits das Aufglühen in der Ferne; Feuerkäfer schleuderten ihre flammende Glut gegen ihre Opfer. Nahrung...
Hunger und Frost begannen sie zu quälen und sie versuchte, sich abzulenken, indem sie ihre Habe genauer untersuchte. In der Börse, die Sybilla ihr gegeben hatte - die Börse Alexanders -, fand sie einige wenige Geldmünzen. Manche klein und silbern, andere golden oder bronzefarben. Sie hatte gedacht, sie würde mehr Geld in dem Beutel finden, doch statt dessen fielen ihr kleine metallene Objekte entgegen, manche quadratisch, andere vieleckig oder rund.
Seltsame Runen, dachte sie erstaunt. Was um aller Welt sind das für Runen?
Shareena betrachtete die eingravierten Schriftzeichen und Symbole genauer. Die Formen lösten Übelkeit und Unwohlsein bei ihr aus. Sie fühlte förmlich den zerstörerischen Zauber, der diesen Gegenständen innewohnte. Dreizehn seltsame Metallrunen, jede mit einem Symbol, das ihr unbekannt war. Wieso hat Galarts Neffe magische Gegenstände in seinem Besitz? Und was hat Galart mit den Zurhidon zu schaffen? Was für einen Gemahl hast du mir da ausgesucht, Todd?
Sie schüttelte den Gedanken an ihren Stiefvater ab, der sie regelrecht an den reichen Händler verschachert hatte und sie überwand den Impuls, die Runen in der Höhle zurück zu lassen. Sorgfältig legte sie sie zurück in die Börse und band diese an ihren Rockschößen fest. Vielleicht haben diese Runen einen Wert für Galart. Vielleicht sind diese Runen eine Möglichkeit, um wieder ins Leben zurückzukehren... Um Sybilla aus dem Kerker zu holen. Vielleicht kann ich sie eintauschen...
Quälende Gedanken an etwas Essbares hielten sie wach, bis die Sonne hoch am Himmel stand. Irgendwann wich der Hunger einem Gefühl der Monotonie und sie wurde schläfrig. Insekten summten um sie herum, die sie mit trägen Handbewegungen verscheuchte. Endlich verfiel sie in einen unruhigen Schlaf, eine gequälte Rast, gehetzt von Träumen voller Blut und Schmerzen, Wimmern und Schreien...
Das Mädchen fuhr aus dem Schlaf hoch. Die Dunkelheit der Höhle wurde durch ein heraufgezogenes Wolkenband verstärkt. Blitzte zuckten durch den Himmel und dicke Regentropfen prasselten auf Fels und Gras und Bäume nieder. Shareena schlang ihre Arme um die Knie und versuchte, sich warm zu halten. Eine Erkältung um diese Jahreszeit konnte sie das Leben kosten. Fieber und Husten brachten noch immer zu vielen Pionieren und Siedlern den Tod. So mancher wunderte sich, was denn die Priester und Heiler so trieben, da sie selbst solch simpler Krankheiten nicht Herr wurden. Oder es kümmert sie einfach nicht, überlegte Shareena. Wir sind nicht wichtig in ihrer Welt...
Sie raffte sich auf. Reiß dich zusammen, Shareena! Wenn du jetzt herumjammerst, bringt dich das nicht weiter. Damit wird alles nur noch schlimmer!
Ihr Blick wanderte über das Land. Grüngelbe Baumkronen, deren Blätter sich im prasselnden Regen hin- und herwarfen, Rinnsale, die sich über den schroffen Fels ergossen, Kaskaden von Wasser, das aus dem Himmel fiel, immer wieder erhellt durch Blitze und Donnergrollen. Das Unwetter entfernte sich schnell, wurde aber alsbald von den Hängen der Heulenden Berge zurückgeworfen und kehrte ungleich grollender wieder zurück.
Shareena fror zunehmend in dem dünnen Nachtgewand und dem hastig übergeworfenen Kleid, das wie ein unförmiger Sack an ihr hing, hatte sie doch das zugehörige Mieder und die Schnüre und Schals zum Zusammenhalten in der Kammer der Taverne gelassen. Mit schnellen Bewegungen rieb sie über ihre nackte Arme und Beine, hoffte auf die Wärme, die dies bringen mochte und fror doch mehr und mehr.
Sie schaute hinaus ins Zwielicht des Gewitters, betrachtete die grasbewachsenen Hügel und Baumgruppen, den Fels, der beinahe zu leben schien, wenn das grelle Licht des Blitzes langsam verebbte und die scharfen Schatten wieder weicher wurden.
In ihren Augenwinkeln nahm sie eine Bewegung wahr. Ihr Herzschlag beschleunigte sich und Shareena blickte mit angstgeweiteten Augen zu dem Ursprung der Bewegung. Seitlich, am Eingang der Höhle, begann der Fels nun wahrhaftig zu leben. Beine, gepanzert und mit Hornauswüchsen bewehrt, schälten sich aus dem Dunkel. Klackernd und knirschend bewegte sich der vermeintliche Fels.
Ein Höhlenkrebs!, schoss es ihr durch den Kopf. Die Kreatur musste am Hang über ihr gewesen sein und suchte nun den Weg in die Höhle. Schon konnte sie die schnappenden Zangen ausmachen, große, wuchtige Werkzeuge, die im Halblicht drohend und unheilvoll auf sie wirkten.
Eine neue Kaskade vielarmiger Blitze zuckte durch den Himmel, zeichnete den schalenbewehrten Körper in einem unwirklichen Licht; schwarze Schatten auf der abgewandten Seite, gleißendes Weiß auf der dem Blitz zugewandten. Ein gepanzerter Tod, der Schritt für Schritt näher kam.
Du musst hier weg! Lauf!, ermahnte sie sich und spannte ihre Muskeln an. Wieder das Klack-Klack der Schritte, ein erneutes Schnappen der Zangen. Dann Stille. Shareena blickte die Kreatur an. Stielaugen waren auf sie fixiert. Die Bestie hatte sie gesehen, ordnete sie als Beute ein, bereitete sich auf einen Angriff vor.
Ihre Hand schloss sich um den Griff des Schwertes. Nicht, dass sie sich eine wirklich günstige Gelegenheit ausmalte, gegen den Höhlenkrebs mit dem für sie zu massigen Schwert einen Sieg zu erringen, doch das Leder des Griffes, an den straff gewickelten Rändern noch rau, in der Mitte glatt und speckig, bot ihr auf eine eigentümliche Weise Trost. Shareena klammerte sich an diesen Halt, kämpfte mit ihm gegen die Angst an, die der Schrecken vor ihr mit sich brachte und sie versuchte sich der Fechtlektionen zu erinnern, die ihr Bruder Victor ihr gegeben hatte.
Ein weiterer Blitz zuckte über den Himmel, grelles Weiß vor dem fauliggrauen Himmel. Die Kreatur bewegte die Stielaugen suchend umher, zuckend, vielleicht auch unsicher. Hatte der Blitz den Krebs geblendet? Shareena vertraute auf ihr Glück und hastete los. Die Scheren schnappten nach ihr, verfehlten sie nur knapp und instinktiv ließ sie die Klinge mit dem ausgestreckten Arm in Richtung der Stielaugen des Höhlenkrebses niederfahren, als sie an ihm vorbeilief.
Die Scheren schnappten erneut, ergriffen die Klinge und umklammerten sie. Einen Herzschlag lang überlegte sie, ob sie versuchen sollte, sie zurückzuziehen, doch ihre Muskeln gehorchten ihr nicht. Der Griff des Schwertes, mit dem sie Alexander getötet hatte, mit dem sie den Peiniger ihrer besten Freundin gestraft hatte, entglitt ihr. Sie hörte das Klackern der gepanzerten Beine des Krebses und ihre eigenen Beine rannten einfach weiter.
Raus aus der Höhle, nur weg! Shareenas Blut hämmerte durch ihre Adern, machte es ihr schwer, zu hören, ob der Krebs sie ins Dunkel des Abends verfolgte. Sie traute sich nicht, sich umzusehen. Sie könnte stolpern, könnte sehen, dass die todbringenden Zangen so nahe waren, dass sie ihr Ende bedeuten konnten. Lauf! Lauf, Shareena! Nur dieser Gedanke war in ihr. Der Regen, kalt und hart, durchnässte ihre Kleider und das Mädchen rannte durch die hereinbrechende Dunkelheit.
Die Spinne kam näher. Langsam, lauernd, wissend, dass ihre Beute ihr nicht mehr entfliehen würde. Der hundegroße Leib wirkte unförmig und fett. Kopf und Brust waren zusammengewachsen, während der aufgesetzte Hinterleib übermäßig groß und schwer wirkte und mit jeder Bewegung auf und ab schwappte. Acht Beine, beinahe fließend in ihren Bewegungen, tanzten sich in einem eigenartigen Rhythmus an sie heran, während die Kieferklauen aufgeregt hin- und herschnappten. Zähflüssiges Gift troff aus Drüsen, die dicht am Maul lagen und acht punktförmige, schwarze Augen fixierten die Beute: Shareena.
Ihre Flucht durch die nächtlichen Wälder hatte sie von einem Albtraum in den nächsten geführt. Ihr nasses Kleid hatte an ihr geklebt, sie immer langsamer werden lassen und war schnell weiter zerrissen, bis es ihr kaum noch Wärme schenken konnte. Als der Regen endlich nachließ, überfiel sie die Kälte der herbstlichen Dunkelheit und sie hatte versucht, auf einen Baum zu klettern, um vor den Räubern der Nacht Zuflucht zu finden.
Auf halben Weg in die dunkle Baumkrone war sie auf einem der nassen Äste ausgerutscht und wieder in die Tiefe gestürzt. Sie hatte sich das linke Bein aufgescheuert und konnte weder schnell laufen, noch einen erneuten Kletterversuch wagen.
Ohne Orientierung war sie weiter durch die Nacht gestolpert, immer darauf horchend, ob Raubtiere ihre Fährte aufgenommen hatten. Der Wald war immer dichter und dunkler geworden, Äste hatten die Haut an ihren nackten Beinen aufgerissen. Auf einer Lichtung hatte ein Schwarm Fledermäuse sie plötzlich umkreist, sie durch die Nacht gehetzt. Sie war gestolpert, einen Hang hinabgerutscht und hatte sich an Büschen und halb verdeckten Steinen die Hände und Knie aufgeschrammt.
Durch ihren Sturz war sie den Fledermäusen entkommen, und eine Höhle, geformt aus den unterhöhlten Wurzeln einen gewaltigen Baumes, hatte ihr einen verlockenden Schutz dargeboten. Sie hatte die Grotte betreten, aus der ihr eine feuchte Wärme entgegenschlug. Der Stamm des Baumes hatte den Durchmesser eines Bauernhauses, seine weißverwitterte Rinde zeugte von einem Alter, das vermutlich kein anderer der Bäume des Waldes von Seweida erreicht hatte, und auch die mannshohen Wurzeln waren knorrig, verdreht und ineinander verwachsen.
War es ihr zunächst wie ein willkommener Hort des Schutzes erschienen, hatte sich jedoch mit jedem Schritt, den Shareena tiefer in die Dunkelheit unter dem Wurzelwerk gemacht hatte, jenes unbestimmte, unbehagliche Gefühl verstärkt. Die Wärme in der Höhle wurde von einem süßlichen, fauligen Geruch begleitet, ähnlich dem von Essensresten, die zu lange in der Sonne stehen. Der Boden war klebrig und mit jedem Schritt war es ihr schwerer gefallen, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
„Ich bleibe am besten am Eingang der Höhle“, hatte sie laut zu sich selbst gesagt, um sich Mut zuzusprechen, doch ihre Stimme hatte nur leer und gebrochen geklungen. Etwas stimmt hier nicht, hatte sie jeder ihrer Sinne gewarnt und Angst war ihr wie ein kribbelnder Schwarm Läuse über die Haut gekrochen, durch ihre Nase und ihren Mund in sie eingedrungen, hatte das Blut in ihren Adern befallen und sie erschauern lassen.
Shareena war stehen geblieben und hatte ihre Augen angestrengt, um die Finsternis zu betrachten; sie spähte ins Dunkel der Höhle, versuchte Schatten und Formen zu unterscheiden. Ihr Herz begann zu rasen, es trommelte in ihrer Brust. Sie glaubte, erkennen zu können, wie der Boden sich bewegte, die Wände, die Decke über ihr.
Spinnen! Die Erkenntnis durchzuckte sie wie ein Schwertstreich. Viel zu große Spinnen! Sie hatte sich umgedreht und aus der Höhle flüchten wollen, doch nur ein, zwei Handbreit von ihrem Gesicht entfernt, hatte sich eines der achtbeinigen Tiere abgeseilt und aufgeregt die Kieferklauen bewegt, während der rechte Pedipalpus, jenes umgewandelte und mit einer zangenartigen Klaue versehene Vorderglied, sich näher an ihr Gesicht herangetastet hatte.
Mit einem Aufschrei war sie zurückgestolpert, ihr Fuß hatte sich in einer herausragenden Wurzel verfangen, und sie war in einem der vielen Netze in der Höhle gelandet, das an ihr haftete und sie mehr und mehr zu fesseln schien, je heftiger sie sich bewegte.
Mit blankem Entsetzen beobachtete sie nun die langsamen Bewegungen, konnte die rötlichen, borstigen Haare an den Gliedmaßen sehen. Um sie herum raschelte es. Mehr von den giftigen Kreaturen erkannten, dass leichte Beute zu machen war. Sie wimmerte und ihr Verstand drohte auszusetzen. Näher und näher bewegte sich der fette Leib der Spinne, die sie aus den glänzenden Knopfaugen anglotzte, während Geifer über die Kieferklauen lief, herausgepumpt aus wulstigen Drüsen am Maul, die das lähmende Gift absonderten.
Shareenas Wimmern schwoll zu einem Schrei an, unartikuliert, des Sprechens nicht mehr mächtig in ihrer Todesangst. Wieder machte die Spinne einen Schritt, noch einen, dann war sie schon sehr nahe bei ihr. Shareena schloss die Augen, erwartete den todbringenden Biss, der ihr Gift in den Leib pumpen würde, um sie zu lähmen und schließlich zu zersetzen.
Und dann spürte sie die Flüssigkeit. Sie berührte sie, kalt und stechend. Shareena schrie, schlug um sich, berührte mit ihren Fingern den Leib der Spinne, die unterarmdicken Beine. Ekel und Angst, Panik und Wahnsinn umtanzten sie spottend, luden sie ein zu einem Reigen des Schreckens.
„Ruhig, Kleine!“ Eine tiefe Stimme. Sie schlug weiter um sich. „Ganz ruhig. Sie ist tot!“
Shareena hörte jemanden schreien und erkannte, dass sie es selbst war. Sie riss sich zusammen, öffnete die Augen und starrte fassungslos um sich. Der Körper der Spinne lag auf dem Rücken, die Beine im Tod über dem Unterleib zusammengezogen. Eine große Wasserlache umgab sie und Shareena erkannte, dass es nicht das Gift gewesen war, das sie gespürt hatte, sondern das Wasser.
Vor ihr stand ein Mann, vielleicht vier oder fünf Dekaden alt. Der Mann trug eine klirrende Kettenrüstung aus fingerdicken Metallringen an Brust und Armen sowie an den Beinen und darüber den blauen Wappenrock der Garnisonstruppen von Varanas.
Ein Soldat! Eine Wache aus Varanas! Sie haben mich gefunden!, schoss es Shareena durch den Kopf, doch der Mann machte keine Anstalten, sie zu fesseln und abzuführen. Stattdessen blickte er über seine Schulter nach hinten und Shareena sah eine Frau mit einem Stab in der Hand. Runen glitzerten darauf und ein blaues Licht erhellte den Bereich der Höhle, in dem sie stand, mit einem sanften Schimmer. „Frau Sharlin! Das Mädchen ist unversehrt!“, rief der Soldat und die Frau kam näher. Bewundernd blickte Shareena auf ihr grausilbernes Haar, das im Widerspruch zu ihrer noch jungen Haut stand. Ihre Augen waren von einer eisigen Farbe, beinahe blass, jedoch stechend und alles wahrnehmend. Ihre blauen Roben waren von edlem Schnitt, freizügig und offen am Hals und Dekolletee, eng an der Taille gebunden und die Rockschöße bis zum Boden reichend. Der in Falten gelegte Stoff bewegte sich bei jeder Bewegung der Frau fließend und Shareena erahnte die Kraft und Beweglichkeit, die dem sonst eher kleinen und grazilen Körper innewohnten.
Die Frau blickte an Shareena und dem Soldaten vorbei, und ein kaltes Lächeln zauberte sich auf ihre Züge. Mit spielerischer Geste hob sie ihren Stab. „Verzeiht, Hauptmann Tomas? Würdet Ihr für einen Moment beiseite treten...?“
Der Hauptmann verstand und beugte sich schnell und schützend über Shareena. Der Stab der Frau schoss vor, während sie seltsame Worte flüsterte, ein Singsang, weich und fließend, wie...
Wasser!
Shareena blickte an dem Körper des Mannes vorbei, wurde von dem blauen Lichtnimbus geblendet, der sich von der Spitze des Stabes löste, an ihr und der Wache vorbeischoss und zischend eine weitere Spinne einhüllte. Ein bizarrer Strahlenkranz aus Licht und Beinen tanzte wenige Schritte von ihr entfernt. Dann verstand das Mädchen: Wasser umhüllte die Kreatur, ließ es in ihre Atemwege eindringen. Die Spinne wand sich qualvoll und starb schließlich einen nassen Tod.
„Kein guter Ort für ein junges Mädchen“, sagte die Frau, die der Hauptmann vorhin Sharlin genannt hatte. „Kommt, Tomas, kehren wir zum Lager zurück. Forschungen sind heute Nacht nun sowieso nicht mehr möglich. Zu viele Interferenzen der Magie verunreinigen die Ergebnisse.“ Eine strenge Note lag in ihrer Stimme, eine Befehlsgewohntheit, die Shareena verdeutlichte, dass der Soldat in jedem Fall alles tun würde, was Sharlin ihm befahl.
Ein weiterer Bewaffneter kam herbeigelaufen, Fackeln in den Händen, von denen er eine Hauptmann Tomas reichte. Dieser brannte gezielt und ohne Shareena zu verletzten das Netz um sie herum zurück, hielt ihr sogleich die behandschuhte Hand hin und zog sie hoch. „Keine Sorge, Kleines! Bei uns bist du in Sicherheit.“
Shareena nickte nur und grauste sich davor, was der Soldat wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass sie einen Mann getötet hatte. Sie tat zwei Schritte, dann ließen Hunger und Erschöpfung sie zusammensacken. Kräftige Hände fingen sie auf.
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Michael T. Bhatty
RUNES OF MAGIC:
Shareena - Legenden Taboreas
ISBN 978-3-8332-2046-3
Ab 17. März im Buchhandel erhältlich.
ich denke das werd ich mir mal zulegen