Superhelden und Superschurken
Marvel's Spider-Man - Article - Superhelden und Superschurken
Marvel's Spider-Man
23.09.18 12:37 Test
Spiderman meldet sich nach vierjähriger Abstinenz wieder zurück in der Gamingbranche. Die Erwartungen an den PS4 Exklusivtitel sind hoch, kann Spiderman diesen auch gerecht werden?
Seit nunmehr sechs Jahren bevölkern die Avengersfilme aus dem Marveluniversum die Kinolandschaft und jedes Jahr darf ein altbekannter oder neuer Superheld mit seinem eigenen Film Hollywood erobern. Da gehört Spider-Man schon fast zum alten Eisen, denn der erste Streifen des schwingenden Superheldens liegt schon beinahe 20 Jahre zurück. Aus der Mode gekommen ist Spider-Man aber nicht, denn das neuste Mitglied der Avengers zierte dieses Jahr, verkörpert von Tom Holland, mit Spider-Man: Homecoming die Kinoleinwand. Nach Tobey Maguire und Andrew Garfield und mehreren mittelmäßig bis schlechten Verfilmungen konnte Tom Holland unter der Regie von Jon Watts mit einem starken Debüt endlich wieder für Begeisterung und Euphorie sorgen. Aber nicht nur filmisch, auch videospieltechnisch kamen Liebhaber der Comics in regelmäßigen Abständen stets auf ihre Kosten. Insgesamt elfmal zierte Spider-Man das Cover seiner Videospiel-Serie, zuletzt 2014 in „The Amazing Spider-Man 2“, welches jedoch mit einer nervenaufreibenden Steuerung und wenig innovativen Spielinhalten zu kämpfen hatte. Nun wagt sich Insomniac Games, unter anderem bekannt für ihre enge Zusammenarbeit mit Naughty Dog (Crash Bandivoot, sowie Jak and Daxter), an den Marvel-Superhelden und geht direkt aufs Ganze, denn mit Sony als Publisher muss sich Marvel's Spider-Man gegen den Hauptanwärter für das Actionspiel des Jahres – God of War 4 – behaupten. Kein leichtes Unterfangen, denn God of War 4 konnte nicht nur durch ein überragendes Gameplay, sondern auch mit einer herzergreifenden Story punkten. Auf der diesjährigen Gamescom konnte Spider-Man schon einmal einen erfolgreichen Start hinlegen und räumte den Gamescom-Award für das beste PS4-Spiel der Messe ab. Doch werden im fertigen Spiel die hohen Erwartungen erfüllt und kann Spider-Man dem starken Druck der riesigen Franchise im Nacken standhalten? Die Antwort: Ja, und das so stylisch und bombastisch wie noch nie! Warum? Der folgende Test bringt die Antworten!

Neue Geschichte, Alte Bekannte

Die PS4-Exlusive-Version von Spider-Man besitzt keinen speziellen Filmbezug und präsentiert sich somit als autarker Ableger der Reihe, was dem Spiel auch sehr gut tut, da es sich nicht um ein Abhandeln der wichtigsten Filmszenen handelt, sondern die Story komplett für sich alleinsteht und somit wesentlich harmonischer funktioniert. Nachdem Spider-Man seinen ewigen Widersacher Wilson Fisk, nach einer furiosen Prügelorgie, endlich hinter Gittern bringen konnte, steht auch schon der nächste Bösewicht vor der Tür. Die sogenannten Inner Demons, eine maskierte Terroristengruppe, versetzen unter Befehl von Mr. Negative ganz New York in Angst und Schrecken. Neben dem Bandenkrieg zwischen den Inner Demons und Wilson Fisks Gefolgschaft plant die Terrorgruppe mehrere Anschläge auf Zivilisten und Polizisten, die Spider-Man zu verhindern versucht. Und auch abseits des Spider-Man-Anzugs verläuft es für Peter Parker alles andere als leicht, denn der Bürgermeister der Stadt – Norman Osborn – kürzt kurzerhand die Förderungsgelder für das Labor, in dem Peter als Hilfswissenschaftler an Seite von Dr. Octopus an bahnbrechenden Projekten forscht, welcher die Kürzung alles andere als positiv aufnimmt. Auch Tante May benötigt Peters Hilfe, ihre Arbeit im Obdachlosenheim erfordert ebenfalls Unterstützung.
Natürlich darf auch Spider-Mans große Liebe, Mary Jane Watson nicht fehlen, diesmal nicht in der Rolle der Nachbarin von Peter, sondern als Journalistin, die den Fall der Inner Demons untersucht und auch möglichen Schwierigkeiten nicht aus dem Weg geht.

Schnell wird deutlich, dass es sich hierbei um eine komplette Eigeninterpretation des Superhelden handelt, die dem Spielgeschehen positiv entgegenkommt. Neben den erwarteten Kampfpassagen kommt es zu durchaus ruhigen und emotionalen Momenten, die zwar nicht an die Vater-Sohn-Beziehung in God of War 4 herankommen, trotzdem aber eine beeindruckende Wirkung und Bildgewalt besitzen. Vor allem der erzählerische Wechsel zwischen Spider-Man, Peter Parker und Mary Jane sorgt hier für tolle Stimmungswechsel, obwohl die verschiedenen Erzählstränge auf inhaltlicher Ebene eng zusammenhängen, was bisher in der Film- sowie Spielreihe selten der Fall war. Auch bekannte Bösewichte werden nicht stumpf in das Spiel eingebaut um auch möglichst alle Inhalte der Spider-Man-Franchise unterzubringen, alle Begegnungen machen im Bezug zur Story Sinn und sorgen für den ein oder anderen Nostalgiemoment, ohne dabei zu erzwungen zu wirken.
Atmosphärisch trifft Spider-Man perfekt den Stil und Ton der Filmreihe, stellt diesen dabei jedoch nicht 1:1 nach, sondern verleiht jeder Figur ihren ganz eigenen Touch, coole und witzige Sprüche dürfen dabei natürlich auch nicht fehlen. In Sachen Humor sorgt Spider-Man in regelmäßigen Abständen für Schmunzler und gibt dem Superhelden seine gewohnt lässige Art, ohne dabei zu albern zu werden. Fans und Neulinge gleichermaßen dürfen sich also auf eine spannende, hollywoodreife Erzählung mit vielerlei Anspielungen, Action und liebevoller Detailarbeit freuen, der auch ihre Ernsthaftigkeit nicht abhandenkommt.

Das etwas andere Sightseeing

In Sachen Grafik glänzt Spider-Man in allen Belangen und zeigt, zu was die PlayStation in der Lage ist. Großartige Gesichtsanimationen und beeindruckende Actioninszenierungen stehen selbst aktuellen Kino-Blockbustern wie allen voran den neusten Avengers-Teilen in ihrer Optik in nichts nach. Und bei all den Explosionen und Gegnerwellen kommt es nie zu einem Frameeinbruch, das Spiel läuft extrem flüssig und unterscheidet in seiner Performance nicht zwischen Cutscene und Spielsequenz. Eine grandiose Weitsicht sorgt bei der sehr schnellen Fortbewegungsform für einen reibungslosen Ablauf, ohne das nervige Aufbauen und laden von Texturen.
Hinzu kommt eine unglaublich beeindruckende Darstellung von New York City. Die belebte Spielwelt glänzt mit ihren befahrenen Straßen und bevölkerten Fußgängerzonen. Es wird klar sichtbar, wie viel Arbeit in ein möglichst lebendiges Spielgefühl gesteckt wurde, denn sogar Orte wie Basketballfelder und Tennisplätze sind nicht nur mit Menschen bestückt, eigens dafür entwickelte Dialoge und Animationen geben ihnen ihren ganz eigenen Charme. Selbst scheinbar nebensächliche Seitengassen wurden mit viel Liebe möglichst realistisch umgesetzt. Tageszeitenwechsel zeigen New York sowohl im glänzenden Sonnenaufgang, als auch im bewölkten oder bei Nacht, jedes Setting sorgt für eine andere Stimmung. Auch Innenräume, die in den Storymissionen ihren Platz haben, glänzen mit Detailverliebtheit und Abwechslungsreichtum. Jedes wichtige Wahrzeichen New Yorks findet in der Spielwelt seinen Platz und macht die ein oder andere Nebenmission zu einer Sightseeingtour im Spider-Man-Style.
Sei ein Superheld

Bezüglich des Gameplays muss zwischen zwei Varianten unterschieden werden – den actiongeladenen Kampfsequenzen mit Spider-Man und dem Stealth Game mit Peter Parker, Mary Jane und einem dritten spielbaren Charakter (dessen Identität aus Spoilergründen unbekannt bleiben sollte). Angefangen beim rasanten Kampfsystem von Spider-Man. Das Spiel schafft es, mit wenigen Knöpfen- und Tastenkombinationen eindrucksvolle, filmreife Kämpfe auf die Bildschirme zu zaubern, die stark an das Gameplay der Batman-Arkham-Reihe erinnern, gespickt von gut getimten Kontern, Ausweichmanövern und Finishern. Wechsel zwischen normaler Zeit und Zeitlupe passen sich an die jeweilige Situation an und geben den Kämpfen stets einen epischen Charakter. Die verschiedenen Gegnertypen benötigen unterschiedliche Angriffsvarianten, manche lasse sich eher im Nahkampf, andere häufiger durch werfende Gegenstände beseitigen, was anfangs noch herausfordernd wirkt, mit der Zeit aber zur erlernten Routine wird.

Freischaltbare Angriffskombinationen sorgen für die nötige Abwechslung und reihen sich geschmeidig und spielerisch leicht in das bestehende Angriffsarsenal ein. Die Möglichkeit am Boden, sowie aus der Höhe anzugreifen verleiht dem Kampfsystem ungemein viel Tiefe und Variation, schnelle Wechsel zwischen Schwingattacken, Fernangriffen und Nahkämpfen gehen ungemein locker von der Hand. Somit darf sich der Spieler schnell als Superheld fühlen, das Kampfgameplay ist simpel und raffiniert zugleich, bezüglich der Bosskämpfe gibt es leider aber kleinere Kritikpunkte. Die Kämpfe sind zwar alle großartig inszeniert und unterscheiden sich in ihrem jeweiligen Setting maßgeblich voneinander, die Abläufe hingegen wiederholen sich zu häufig. Ziel ist es immer, durch geschicktes Ausweichen und anschließendem Gegenangriff den Gegner zu betäuben um ihm so eine Tracht Prügel zu verpassen. Natürlich variieren die Ausweichmanöver und die verschiedenen Bosse greifen auf unterschiedliche Art und Weise an, das Grundprinzip aber ist in nahezu allen Fällen das gleiche. Wirklich störend ist das keinesfalls, da die eindrucksvolle visuelle Umsetzung meist im Mittelpunkt steht, ein bisschen mehr Abwechslung hätte dem Gameplay jedoch auch nicht geschadet.


Wie schon angekündigt, ist auch das Stealth Game ein großer Teil von Spider-Man. Dieses bietet gegenüber den Kampfsequenzen einen erfrischenden Ausgleich, kommt dafür jedoch wesentlich eintöniger daher. Ein Großteil besteht, wie nicht anders zu erwarten, im Ablenken der Wachmänner und dem richtigen Timen um sich unentdeckt zur nächsten Position zu bewegen. Außerdem können Gegenstände auf Hinweise untersucht werden, welche die Story und die einzelnen Charaktere inhaltlich ausschmücken. Spielerische Variation hingegen kommt nur selten zum Vorschein, spannend wird es dann, wenn sich die einzelnen Gameplayvarianten überlagern, indem sich Spider-Man und Mary Jane in direkter Zusammenarbeit befinden und die Stärken der beiden sich ergänzen. Trotz allem sind die Stealth Missionen enorm wichtig für die Auflockerung und Entschleunigung der ansonsten rasant erzählten Geschichte. Erwähnenswert sind auch die kleineren Rätsel, wie das Entschlüsseln von Programmierungsproblemen oder das Identifizieren einer unbekannten Flüssigkeit. Diese sorgen ebenfalls für wohltuende Abwechslung, können aber bei eventueller Ungeduld auch übersprungen werden.

Wem das ganze Spektakel zu viel wird, kann sich die Zeit auch einfach mit dem Schwingen durch New York City vertreiben, denn die Schwingmechaniken und -animationen sind eine Klasse für sich und machen unglaublich viel Spaß. Jede schwingende Fortbewegung fühlt sich so frei und individuell wie noch nie an, Grund hierfür ist die großartige Schwingphysik, die sich zu jedem Zeitpunkt logisch und nachvollziehbar anfühlt und sogar auf physikalischer Ebene durchaus Sinn macht (sofern man im Marveluniversum bleibt). Sei es zwischen den Bäumen des Central Parks, in Museen oder rund um die Wolkenkratzer New Yorks, jederzeit hat der Spieler die volle Kontrolle über Spider-Man. Durch die tollen Animationen läuft die Fortbewegung enorm flüssig und hält den Spaßfaktor durchgehend aufrecht. Hier dürfte es jedes andere Open-World-Spiel schwer haben mitzuhalten, denn so lässig und geschmeidig erreichte man die verschiedenen Missionspunkte bisher noch nie.

Was New York zu bieten hat
Eine große Herausforderung für Open-World-Spiele ist der sinnvolle Umgang mit den verschiedenen Missionsarten. Zu wenig Nebenmissionen beispielsweise können die Erkundungsbereitschaft einschränken, zu viele hingegen zu stark von der Hauptgeschichte ablenken, wie es jüngst in Far Cry 5 das Problem war. Spider-Man findet hierbei aber einen guten Mittelweg durch kleinere Open-World-Aufträge, wie das Sammeln von verteilten Rucksäcken oder dem Fotografieren von Wahrzeichen, die dafür sorgen, New York von absolut jeder Ecke kennen zu lernen, rufen aber gleichzeitig auch einen ungemeinen Sammeltrieb hervor. Verschiedene Arten von Nebenmissionen wie Kampfherausforderungen oder Stadtreinigungsaufträge aus Harry Osborns Laborgebäuden sind über ganz New York hinweg in großer Anzahl verteilt und bieten eine Menge Spielraum für Anspielungen und kreativen Einfällen, sind inhaltlich aber meist relativ belanglos. Natürlich können auch Überfälle und Verfolgungsjagden verhindert werden, falls kein Interesse besteht, können dieser aber auch ohne weiteres ignoriert werden. Eine gezwungene Partizipation wie in Far Cry 5 findet somit nicht statt, der Fokus kann frei gelegt werden. Auch wenn sich manche Nebenmissionen ähneln, die große Anzahl der Möglichkeiten, einen Tag als Spider-Man in New York zu verbringen sprechen für sich. Auch nach Beendigung der Hauptgeschichte dürfte noch die ein oder andere Spielstunde investiert werden, denn selten war die Motivation, ein Spiel zu 100% durchzuspielen so hoch wie bei Spider-Man.

Neue Fähigkeiten gefällig?

Das Absolvieren der verschiedenen Nebenmissionen hat nicht nur einen inhaltlichen Nutzen, die verdienten EP und Fähigkeitspunkte können in das Freischalten verschiedener Verbesserungen gesteckt werden. Eine große Auswahl unterschiedlicher Anzüge mit individuellen Spezialfähigkeiten bietet viel Abwechslung, denn die Möglichkeiten der Anpassung sind enorm. Für jeden Spielertyp dürfte hier etwas dabei sein, manche Anzüge eignen sich besser für ruhigere Schleichmissionen, andere hingegen verleihen einen deutlichen Kampfvorteil. Zudem machen auch alle Aufmachungen optisch einiges her und bieten kreativen Freilauf für die Entwickler, denn auch hier mangelt es nicht an schönen Anspielungen und Nostalgiemomenten. Eine weitere Verbesserungsmöglichkeit sind Gerätschaften, die Spider-Man im Kampf unterstützend zur Seite stehen. Aufprallnetze mit Lichtschranken oder Netzbomben – auch hier fehlt es an nichts. Die verschiedenen Wurfgeräte können während eines Kampfes problemlos gewechselt und angewandt werden und eignen sich für jede Situation unterschiedlich gut. Und natürlich darf auch ein Fähigkeitsbaum nicht fehlen, eingeteilt in die Gruppen Innovator, Verteidiger und Netzschwinger, welche grundsätzlich zwischen Angriffskombinationen, Schwingmechaniken und Kontermoves unterscheiden. Die verschiedenen Skills lassen sich durch Erfahrungspunkte, die man durch das Spielen der Hauptstory verdient, freischalten und bieten so eine konstante Weiterentwicklung des Spielprinzips. Und obwohl es insgesamt einige Möglichkeiten der Anpassungen und Verbesserungen gibt gestaltet sich das Menü enorm übersichtlich und verständlich, die neu erlernten Fähigkeiten benötigen keine lange Eingewöhnungszeit und halten den Spielspaß aufrecht.
Erfahre hier, wie der Titel in unserer Wertung abgeschlossen hat.

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Erstellt von Rufus
Zuletzt online: 3 Jahre 8 Monate
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23. 09. 2018 um 12:37
23. 09. 2018 um 12:37
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