Seit unglaublichen 8 Jahren hält der beachtliche Erfolgszug der (auch bei Erwachsenen sehr beliebten) Lego-Videospielreihe nun schon an. Und das, obwohl das grundlegende Spielprinzip seit dem Erstlingswerk „Lego Star Wars“ allenfalls marginal und sehr vorsichtig modifiziert worden ist. Das liegt zum einen an der enormen Beliebtheit der Marke Lego und zum anderen an der genialen Idee, diese Beliebtheit mit der Zugkraft bekannter Filmlizenzen („Star Wars“ ist seit jeher ein Selbstläufer) zu kombinieren. So holt man dann auch die Erwachsenen mit ins Boot, ohne die Kinder dadurch als Kunden zu verlieren – Generationenübergreifende Begeisterung, die jedes Jahr wieder dafür sorgt, dass sich der Publisher über überwältigende Umsatzzahlen freuen kann. Und erfreulicherweise sind die Spiele nicht bloß kommerzielle Hits, sondern können auch qualitativ überzeugen – „Lego Herr der Ringe“ gehört in meinen Augen sogar zu den besten Filmumsetzungen überhaupt! Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an den direkten Nachfolger und neuesten Serienteil „LEGO Marvel Super Heroes“. Die Marvel-Lizenz wird auf alle Fälle wieder dafür sorgen, dass das Spiel die finanziellen Erwartungen des Publisher mehr als erfüllen wird. Doch kann das Spiel auch qualitativ überzeugen?
Riesige Klötzchenwelt oder GTA Marvel
Wie in den Vorgängerspielen gibt es neben den eigentlichen Levels, welche die Story voran treiben, auch wieder eine gigantische Oberwelt zu entdecken, in der man sich stundenlang aufhalten kann ohne sich dabei zu langweilen. Das Manhattan des Spiels erinnert dabei natürlich sehr viel deutlicher an das Gotham City aus „Batman – DC Super Heroes“, als an die riesige Mittelerdekarte aus dem direkten Vorgänger „Lego – Herr der Ringe“. Was die Größendimension angeht, ist man also einen kleinen Schritt kürzer getreten, da der Gigantismus des Herr der Ringe Spieles leider nicht mehr erreicht wird. Allerdings gewinnt die Oberwelt dafür wieder in der Vertikalen an Höhe, weil viele der Spielcharaktere mit einer Flugfähigkeit ausgestattet sind und die Welt somit auch aus der Vogelperspektive erkunden können.
Das macht nach wie vor einen Heidenspaß und kann im – serientypisch gelungenen – Zweispielermodus sogar noch mehr Unterhaltungspotential entfalten. Manhattan selbst ist ansprechend geraten und hat an beinahe jeder Straßenecke Nebenquests zu bieten, welche die ohnehin nicht kurze Spielzeit erheblich verlängern und im Vergleich zum direkten Vorgänger etwas abwechslungsreicher ausgefallen sind.
Jedenfalls ist die Oberwelt genau wie bei „Batman“ und „Herr der Ringe“ der eigentliche Star des Spieles und weniger die Story-Missionen.
Die 15 Spielkapitel können aber ebenfalls nach wie vor gut unterhalten, auch wenn sie spielerisch keine nennenswerten neuen Akzente setzen. Rätseldesign und Kampfmechanik sind hinreichend aus den Vorgängerspielen bekannt und quasi eins zu eins aus „Lego Batman: DC Heroes“ übernommen worden. Es ist zudem etwas schade, dass die Story-Missionen eine eigene, neue Geschichte erzählen und den Sequenzen keine Filmvorlage zu Grunde lag. Denn obwohl sich das Spiel ästhetisch ganz deutlich an den neuen Marvelfilmen (dem Marvel-Universe) orientiert, wird keine einzige der letzten Blockbusterproduktionen nacherzählt. Das macht das Parodieren zwangsläufig ein wenig komplizierter, weshalb leider nur wenige der zahlreichen Gags so recht zünden wollen. Immerhin können die Story-Missionen wieder mit einem sehr hohen Wiederspielwert punkten, da man beim ersten Anlauf mangels der nötigen Figuren nicht alle Geheimnisse entdecken kann.
Bescheidene deutsche Lokalisation
Leider wurden (im Gegensatz zum letztjährigen „Herr der Ringe“-Ableger) nicht die original Sprecher der Figuren engagiert, was die Atmosphäre ziemlich belastet. Darüber hinaus haben sich eine Vielzahl erschreckend unlustiger Gags mit ins Spiel geschlichen, die von einer fehlerhaften deutschen Übersetzung herrühren könnten und für alle erwachsenen Spieler einem Schlag in die Magengrube gleich kommen. „Au, Au und mehr Au“ – solch eklatante Ausrutscher gab es bei Batman nicht. Und das Dr. Doom von seinen Untertanen als „Dr. Unheil“ angesprochen wird, hätte ebenfalls nicht sein müssen. Obwohl der Humor auf der akustischen Ebene also meistens versagt, gibt es immerhin wieder den typischen visuellen Slapstick-Humor, der auch hier für den ein oder anderen herzhaften Lacher sorgen kann. Und mit manch einer genialen Idee wie beispielsweise einem Cameo-Auftritt der Marvellegende Stan Lee können Traveller's Tales dann doch einige humoristische Glanzleistungen abliefern! Dank der vielen Rückbezüge auf Stan Lee wird der Charme der 60er Jahre Comics außerdem gekonnt mit dem ästhetischen Stil der Filmproduktionen in Einklang gebracht.
Dennoch wäre eine direktere Parodie der Filme vermutlich sehr viel lustiger gewesen, als das hier entwickelte Crossover-Script.
Heldenhafte Figurenvielfalt
Und auch die gigantisch anmutende Vielzahl an spielbaren Charakteren beschränkt sich keineswegs ausschließlich auf die Marvel-Verfilmungen, sondern beinhaltet mit Figuren wie Rhino oder Squirrel Girl auch einige Figuren, die bislang nur in den Comics ihr Unwesen treiben durften. Die Spezialfähigkeiten passen meistens relativ gut zu den Superhelden und werden Comicfans nicht enttäuschen. So kann Spiderman natürlich Spinnennetze schießen und sich durch die Häuserschluchten schwingen, Iron Man mit seinem Anzug durch die Lüfte brausen oder Hulk alles in Schutt und Asche zerlegen. Auch die Regenerationsfähigkeit von Wolverine wurde sehr schön und humorvoll umgesetzt. Kleine Bemerkung am Rande: Der Chuck Norris von Marvel, Stan Lee, ist selbstverständlich mit nahezu allen Fähigkeiten auf einmal ausgestattet…
Fahr- und Flugzeuge gibt es wie in „LEGO Batman 2: DC Super Heroes“ auch wieder wie Sand am Meer, was das Erkunden Manhattans noch einen Tick unterhaltsamer gestaltet.
Hübsche Grafik, enttäuschende Endgegner
Grafisch ist praktisch alles beim alten geblieben: Niedliche Figuren, stimmungsvoll entworfene Legolandschaften und eine deutliche Nähe zu den zitierten Vorbildern. Positiv fallen zudem die gelungenen Bewegungen der Klotzfigürchen auf:
Die wuchtigen Schläge, die Hulk auf seinen Widersacher Abomination niederprallen lässt, kommen dem monumentalen Gekloppe aus „Der unglaubliche Hulk“ beispielsweise unglaublich nahe und sind ein gutes Beispiel für die liebevolle visuelle Gestaltung des Spieles. Mr. Fantastic kann durch seine biegsamen Verwandlungskünste zudem für einige lustige Überraschungen sorgen. Heimliches visuelles Highlight des Spiels sind zudem die unglaublich rasanten Sprünge vom Heli-Carrier, die einen zu den nächsten Missionen führen. Und auch der fiese „Sandmann“, Spiderman 3 Bösewicht und Endgegner des ersten Levels, ist optisch ziemlich beeindruckend ausgefallen – hier hat Travellers Tales ganze Arbeit geleistet. Doch leider können sie dieses hohe (visuelle und spielerische) Niveau, zumindest was die Endgegner angeht, nicht über den gesamten Spielverlauf halten, da reihentypisch die meisten Bosskämpfe viel zu einfach ausgefallen sind. Das ist in Anbetracht der wunderbaren Marvel-Vorlagen durchaus schade. Auf der PS3 kommt es zudem beim Fliegen durch New York oftmals zu einigen Tearing-Problemen und während dem Laden treten allerhand Ruckler auf.