Grand Theft Auto V
In kommerzieller Hinsicht hat Rockstars neueste Episode ihrer Erfolgsserie also alle Erwartungen (und vor allem die des Publishers) mehr als erfüllt, doch bleibt die Frage, ob das Spiel auch durch seine Qualität zu begeistern weiß. Aufgrund des ungemein hohen Production Values (das bisher „teuerste“ Spiel aller Zeiten verschlang unglaubliche 265 Millionen US-Dollar) und der detailgenauen Recherche des Entwicklerstudios war zudem eine der beeindruckendsten Spielwelten der gesamten Videospielgeschichte zu erwarten gewesen und auch hier kann das Spiel – soviel sei vorweg genommen – beinahe restlos überzeugen. Und obwohl es sich bei GTA 5, neben „Beyond Two Souls“, um den letzten großen Titel dieser Konsolengeneration handelt, hievt das Spiel die Grafikpracht der Playstation 3 noch einmal auf ein völlig neues Level. Das liegt übrigens nicht daran, dass man ein technisch einwandfreies, grafisch über alle Zweifel erhabenes Endprodukt abgeliefert hat, denn einige Bugs und Framerate-Einbrüche haben sich schon eingeschlichen, sondern viel mehr an einer unglaublich lebendig wirkenden, völlig ohne Ladepausen erkundbaren offenen Welt. Das ist es dann auch, was den ganz besonderen Reiz des Spieles ausmacht, denn die Qualität der Handlungsebene ist leider alles andere als rekordverdächtig.
Düstere Gangsterballade im sonnigen Bundesstaat San Andreas
10 Jahre ist es her, dass Michael mit seinen Ganovenkollegen den ein oder anderen Banküberfall durchgezogen hat, bis schließlich ein Plan dramatisch fehlschlagen sollte, Leben kostete und die überlebenden Gangster trennen sollte. Zu Beginn wohnen wir Michaels Beerdigung bei, einer Farce, die ihm lebenslange Immunität und eine Villa samt Polizeischutz verschaffen wird. Doch Michael will nicht so recht glücklich werden und vegetiert deprimiert im Luxus vor sich hin. Sein Sohn ist ein nerviger Volltrottel, seine Tochter verdient ihr Geld mit Pornos und das Interesse an seiner Frau hat Michael bereits vor Jahren verloren. Da ist er beinahe froh, als ein Kleinganove namens Franklin versucht sein teueres Auto zu stehlen und somit etwas Action Einzug in sein langweiliges Spießerleben erhält. Aus der anfänglichen Feindschaft entwickelt sich schnell eine Komplizenschaft, welche das Leben der beiden Figuren eng miteinander verknüpft und zu allerhand Problemen führt. Eines davon (und zugleich das größte) ist ein kleiner Unfall, der den beiden Hobbygangstern passiert, als Michael dem Liebhaber seiner Frau eine Lektion erteilen will und kurzerhand dessen Haus einstürzen lässt. Dumm nur, dass ihm bei der Hausnummer ein eklatanter Fehler unterlaufen ist und nun die Braut eines einflussreichen Berufskriminellen ohne Wohnsitz dasteht und ihr Geliebter folgerichtig nach Rache sinnt. Doch immerhin lässt er sich auf einen Deal ein: Michael und Franklin sollen ihm innerhalb eines streng limitierten Zeitrahmes das Geld zurückzahlen, anderenfalls sieht es mit dem Überleben eher schlecht aus. Die einzige Chance der beiden ist ein Rückgriff auf Michaels ehemalige Fähigkeiten als Bankräuber und dem damit verbundenen, gefährliche Gangsterleben. Es gilt nun die Überfälle genauestens zu planen und vorzubereiten (einmal muss beispielsweise ein Insektenvernichtungstransporter gestohlen werden, da sich die Bankräuber als Schädlingsbekämpfer tarnen), damit das Gelingen der Raubzüge gesichert und Michael der Rückerstattung seiner Schulden einen Schritt näher ist. Auch wenn zunächst alles so aussieht, als könnte Michaels Vorhaben von Erfolg gekrönt sein, ändert sich dieser Umstand schlagartig, als ein alter Bekannter die Bühne betritt – der kranke Psychopath Trevor sinnt auf Rache und macht sich auf eine erbarmungslose Jagd.
Drei Spielfiguren die kaum unterschiedlicher sein könnten
Das interessanteste Storyelement des Spieles ist die bereits in der Inhaltsangabe angesprochene Verknüpfung dreier Handlungsstränge, die verschiedene Subgenres des Gangsterfilmes bedienen (1.Ein Edelganove, der Banken im Grunde zur eigenen Erheiterung ausraubt 2.Ein ärmlicher Ghetteobewohner, der aus diesem Umfeld entfliehen will und 3. Der skrupellose Psychopath, der alles in seiner Umgebung in Schutt und Asche zerlegt) und deshalb eigentlich viel Abwechslung bieten sollten. Das gelingt auch weitestgehend, doch leider spielen sich alle Figuren, trotz ihrer teils sehr gegensätzlicher Charakterzeichnung, ziemlich ähnlich und ein Großteil der Missionen besteht aus stupiden Ballereien, die selten wirklich zu fesseln wissen. Lediglich die Spezialfähigkeiten der Figuren (Michael beherrscht in Schussgefechten eine „Max Payne“ - artige Bullet Time Technik, Franklin kann etwas ähnliches beim Autofahren auslösen und Trevor hat beim Fliegen durch seine Spezialfähigkeit einen großen Vorteil) bringen etwas frischen Wind in die Spielweise der einzelnen Charaktere und vermitteln zumindest ansatzweise die Illusion von Abwechslung. Das soll jetzt nicht falsch verstanden werden: Inhaltlich variiert das Missionsdesign schon ziemlich und animiert auch während dem Absolvieren der Aufgaben meistens ziemlich gut zum weiterspielen. Nur leider bleibt es spielerisch meist bei einfachen Schusswechseln, Autodiebstählen und Verfolgungsjagden – da mag der Grund weshalb man gerade wild um sich ballert oder vor der Polizei flüchtet noch so originell und gut erzählt sein, so richtig will der Funke einfach nicht überspringen. Ein weiteres Problem mit dem die Geschichte zu kämpfen hat ist eines, dass ich so ziemlich jedem Open World Spiel attestieren würde, selbst dem genialen „Red Dead Redemption“:
Der Leerlauf zwischen den Missionen wirkt sich spürbar negativ auf den Storyfluss aus und erweist sich daher als echter Spannungskiller. Ein Spiel, in dem man Missionen bzw. die Story nur an bestimmten Interaktionspunkten nach Vorne treiben kann, die oftmals kilometerweit voneinander entfernt sind, kann einfach nicht denselben Drive entwickeln wie ein streng durchkomponierter Spielfilm oder ein lineares Videospiel wie beispielsweise ein Vertreter der „Uncharted-Reihe“, da Szenen, die ein Regisseur lieber als Leerstelle belassen würde, um die Handlung nicht unnötig in die Länge zu strecken, hier gespielt werden müssen. Kaum ein Regisseur würde beispielsweise eine Autofahrt, die zweit Handlungsorte miteinander in Verbindung bringt, in ihrer gesamten Länge auf die Leinwand bringen. Doch bei GTA und allen anderen Open World Games wird man zum Durchleben dieser Sequenzen gezwungen, was der übergreifenden Handlung etwas den Wind aus den Segeln nimmt. Auch die Möglichkeit ein Taxi zu benutzen kann dieses Problem nicht lösen, da dieses repetitive Element ebenfalls ein ziemlicher Stimmungskiller ist und einen immer wieder aus der Geschichte reißt. Trotzdem können die einzelnen Story-Sequenzen für sich betrachtet, in Sachen Inszenierung und satirischer Finesse durchaus überzeugen – sie wollen sich eben bloß nie zu einem stimmigen Ganzen verbinden.
Am interessantesten ist der Handlungsstrang um den Psychopathen Trevor, der die vielleicht unsympathischste Einleitungssequenz der gesamten Videospielgeschichte spendiert bekommen hat und überhaupt nicht zur Identifikation taugen will. Dennoch wird man vom Spiel dazu gezwungen diesen Charakter zu übernehmen und daher mit einem unschönen moralischen Problem konfrontiert. Denn obwohl man bei der GTA Serie böse Jungs gewohnt sein sollte, schlüpft man zum ersten Mal in die Rolle eines Mannes, der nur zum Spaß tötet, cholerisch ist und einen unglaublichen Rassismus zelebriert, der beinahe sein gesamtes Umfeld in Mitleidenschaft zieht. Aber aus diesen Gründen ist die Spieleerfahrung immerhin sehr eigen und Trevor im Vergleich zu einer solch langweiligen Figur wie Franklin, zugleich ungemein unterhaltsam.
Der bereits angesprochene Franklin spielt sich exakt wie CJ aus San Andreas und scheint etwas zwanghaft in die Story implementiert worden zu sein, denn seine Freundschaft mit Michael wirkt seltsam überkonstruiert und daher zu keiner Sekunde wirklich glaubhaft. Er ist eben einfach da, vermutlich bloß um das Spielfigurentrio zu komplettieren. Meiner Meinung nach, hätte man sich diese Figur auch ganz einfach sparen können.
Michael ist die am glaubhaftesten charakterisierte Figur, die aufgrund seiner immer wieder auftauchenden Familie am menschlichsten wirkt. Doch so interessant wie der Handlungsstrang um den Psychopathen Trevor ist seine Geschichte dann leider doch nicht geworden. Trotzdem bietet Rockstar hier überdurchschnittlich gute Gangsterunterhaltung, die immer wieder in unglaublich gut inszenierten Überfallsequenzen ihren Höhepunkt findet.
Zitatwahn
Wo „GTA 3“ noch deutlich von Coppolas Film „Der Pate“ inspiriert war und sich der Ableger „Vice City“ bei „Scarface“ oder „Miami Vice“ bediente, betreibt der neueste GTA Titel einen viel umfassenderen Eklektizismus. Es existiert kaum eine Szene, die in sehr ähnlicher Form nicht so schon einmal in einem anderen popkulturellen Werk vorhanden gewesen war, das ist durchaus vergleichbar mit einem Film von Quentin Tarantino. Doch leider gibt es den einen entscheidenden Unterschied: Ein Film von Tarantino behält trotz seiner Zitierwut stets seine Eigenständigkeit, da es der Regisseur schafft, aus den Zitaten etwas stimmungsvolles Neues zu entwickeln. Bei „GTA 5“ gelingt das leider nur stellenweise und viele Zitate bleiben selbstzeckhafte Lückenfüller, die eher ein Symptom der Ideenlosigkeit der Drehbuchautoren, als eine intelligente Hommage sind (bei „Breaking Bad“ wird sich beispielsweise entschieden zu oft bedient).
Man könnte konstatieren, dass sich das Spiel bei existierenden, ikonisch gewordenen Bildern bedient, aber eher selten neue bzw. eigene präsentieren kann.
Trotz allem stechen einige Missionen aufgrund ihrer Absurdität sehr positiv hervor und können durchaus bleibende Akzente setzen (ich sage nur: ALIENS).
Am stärksten ist „GTA 5“ immer dann, wenn das Spiel seine Energie auf die Satire lenkt. Denn diese ist im fünften Teil der Serie allgegenwärtiger denn je und auch böser als je zuvor geraten. Von einer gelungenen Facebook-Parodie, über eine unglaublich absurde Kinowerbung oder Anspielungen auf den amerikanischen Waffenfanatismus, hin zur zelebrierten Dekadenz im Strip-Club („Lass es Regnen“) enttarnt das Spiel die in Amerika herrschende Bigotterie und Pseudomoral, was schon eine Menge Spaß bereitet. Allerdings hätte diese Kritik ab und zu auch etwas subtiler gestaltet werden können, da die Drehbuchautoren manchmal zu sehr plakativen Karikaturen greifen um bestimmte Sachverhalte überhöht darzustellen. Dennoch kann „GTA 5“ auf der satirischen Ebene ziemlich überzeugen.
Die Kunst liegt in den Details: San Andreas, Bundesstaat der unbegrenzten Möglichkeiten?
Viel beeindruckender als die eigentliche Hauptgeschichte des Spiels, sind die vielen kleinen Easter Eggs, die manchmal ganze Rätselketten nach sich ziehen und deshalb ungemein viel Freude bereiten. So gilt es beispielsweise den Geist einer toten Frau zu entdecken, der unheilsvoll über einer Klippe schwebt und düster vor sich hin starrt. Kommt man ihm zu nahe, ist er auch schon wieder verschwunden und hinterlässt auf einem Felsen den blutigen Schriftzug „Jock“. Sucht man diesen Namen anschließend im spielinternen Internet wird man herausfinden, dass es sich hierbei um einen der wichtigsten Politiker des Bundesstaates handelt, dessen Frau vor einiger Zeit Selbstmord begangen hatte. Die Schlussfolgerung, dass es seinerzeit vielleicht doch eher Mord gewesen war, dürfte da sehr nahe liegen. Jedenfalls konnte mich GTA 5 durch Details wie dieses immer wieder begeistern und wirkte dadurch sogar noch einen Tick lebendiger als zuvor.
Erwähnt werden sollten außerdem die in ihrer Menge schier grenzenlosen Nebentätigkeiten, die einen beispielsweise Golf oder Tennis spielen lassen und die Immersion des Videospiels erheblich verstärken. Mein absolutes Highlight waren die Kinobesuche, in denen man zu Beginn erst einmal von einer herrlich abgedrehten „Anti-Masturbationswarnung“ begrüßt wird und anschließend in den Genuss eines surrealen französischen Experimentalfilmes kommt. Hier hat Rockstar seine cineastische Idee aus „Red Dead Redemption“ konsequent fortgeführt und bereitet damit jede Menge Spaß. Man kann außerdem Kiffen, als Taxifahrer tätig sein, als Drogenkurier Flüge absolvieren, Randale machen, Achterbahnfahren, eine Runde Mountainbiken, eine Gondelfahrt samt anschließender Wanderung bestreiten, Schätze aus gesunkenen Schiffen bergen,…und und und – die Liste ließe sich beliebig lang fortsetzen. Zudem bietet der riesige Fuhrpark ziemlich viel motorisierte Abwechslung, auch wenn leider keine Originalautomarken im Spiel zu finden sind.
Die Steuerung ist in ihren Grundzügen übrigens dieselbe wie in allen vorangegangenen Rockstar PS3 Titeln („Red Dead Redemption“, „GTA 4“, „Max Payne 3“,….) geblieben und geht unverändert gut von der Hand. Glücklicherweise hat Rockstar der Steuerung an manchen Stellen jedoch einen subtilen Feinschliff verpasst, der beispielsweise endlich ein ungestörtes Autofahren ermöglicht. Auch die Schießereien machen sehr viel mehr Spaß, als im direkten Vorgänger, was vor allem an Michaels cooler Bullet-Time Fähigkeit liegt und wohl aus Rockstars „Max Payne 3“ Erfahrung resultiert. Festzuhalten bleibt, dass die Steuerung irgendwann so sehr verinnerlicht ist, dass man keinerlei Gedanken mehr an die Tastenbelegung oder ähnliches verschwendet und voll und ganz in die grandiose Spielwelt eintauchen kann.
Peinliche Provokation – Über selbstzweckhafte Pseudotabubrüche
Eigentlich war es ja fast zu erwarten gewesen, dass Rockstar auch mit diesem GTA-Teil für jede Menge Ärger bei den politisch Korrekten sorgen würde. Allerdings scheinen sich die Grenzen seit dem letzten großen GTA Skandal, dem unfreiwillig komischen Hot-Coffee Mod, eklatant verschoben zu haben. Denn wo man sich anno 2004 noch über peinliche Sexsequenzen in kantiger Klötzchenoptik echauffierte, akzeptiert man heute sogar einen virtuellen Besuch im Strip Club samt Tittengrabschen und Pobefummeln ganz ohne zu murren. Durch Sex kann scheinbar kaum noch provoziert werden, obwohl GTA 5 das am laufenden Band probiert. So gibt es eine Mission in der Porno-Pop-ups geschlossen werden müssen, - eine Spielfigur die Sexfilme dreht, - Schauspieler, die man beim Sex filmen kann, - eine Sexpartnerbörse im spielinternen Internet usw…. Die Liste würde sich auch hier beliebig lang fortsetzen lassen, aber um meine Behauptung zu unterstreichen, sollten diese Beispiele wohl genügen. Amüsant sind manche dieser Szenen zugegebenermaßen schon, aber eben alles andere als skandalverdächtig. Das könnte auch Rockstar während der Entwicklung schon aufgefallen sein, so würde zumindest eine geschmacklose Foltersequenz erklärt, die man mit Trevor auszuführen hat – samt Zähneziehen, Waterboarding und Genitalverstümmlung. Ich bin wirklich kein Freund von künstlerischen Einschränkungen durch die Zensur. Kunst sollte von allen Grenzen befreit sein. Doch muss sich ein künstlerisches Erzeugnis, zu dem ich auch die Videospiele zähle, eben im Nachhinein dann auch einer Bewertung stellen, bei der polarisierende Sequenzen mit einbezogen werden und zu einer Abwertung führen können. Und so muss ich hier doch leider ganz stark konstatieren, dass die Szene für die Story keinerlei Relevanz hat und auch für die Entwicklung der Figur Trevor nicht weiter wichtig wäre. Es ist einfach nur ein peinlicher Versuch, wieder einmal die Medien zu beschäftigen – was ja auch gelungen ist. Gewalt als Selbstzweck lehne ich dann aber doch entschieden ab.
Erfahre hier, wie der Titel in unserer Wertung abgeschlossen hat.
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Erstellt von George Stobbart
Zuletzt online: 7 Jahre 1 Monat
Kategorie:
Test
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Aktualisiert
14. 10. 2013 um 20:02
14. 10. 2013 um 20:02
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