Ganze fünf Jahre mussten sich die Fans der epischen Action-Adventure-Reihe "God of War" gedulden, um mit dem Gott des Krieges Kratos wieder in die Schlacht zu ziehen. Mit dem 2013 erschienenen Prequel "God of War: Ascension" untermauerte Sony auf inhaltlicher Ebene die bis dato abgeschlossene Trilogie der Reihe, machte aber rein technisch keinen großen Sprung nach vorne. Dabei glänzt die Geschichte um Kratos geradeso vor technischer Raffinesse und nutzte stets auf eindrucksvolle Weise die Möglichkeiten der jeweiligen Konsolengeneration. So auch God of War 3, welches 2015 drei Jahre nach Erstveröffentlichung (damals noch auf der PS3), nun auch auf der PS4 mit einer Remastered Edition überzeugen konnte. Fans der Reihe durften im überarbeiteten HD-Gewand den Kampf gegen Zeus, Kronos und andere Götter bestreiten, mussten sich auf inhaltlicher Ebene aber mit dem Altbekannten vergnügen. Denn nicht nur die Sehnsucht nach brutalen und monumentalen Kampfszenarien, sondern allen voran das Ende des dritten Teils, welches nach wie vor für Gänsehaut-Momente sorgt, ließen die Herzen der Zocker-Gemeinde im Januar dieses Jahres höherschlagen. Sony brach das Schweigen und kündigte den endgültigen Release-Termin für den neuen Teil an.
Kratos kehrt zurück und hat seinen Sohn, ein neues Kampfsystem und einen grundlegenden Tonartwechsel im Gepäck. Ein in die Jahre gekommener Kratos, der sich nun mit den Aufgaben des Vaterdaseins konfrontiert sieht – die angekündigten Neuerungen sorgten für viel Skepsis und Argwohn in der Fangemeinde. Die Angst vor zurückhaltenden Kämpfen, einem verweichlichten Kratos und einem enormen inhaltlichen Tapetenwechsel machte sich breit und Fans sahen die Grundpfeiler der God of War-Reihe bedroht. Doch schon wenige Tage nach Veröffentlichung lässt sich sagen: Kratos ist zurück und das so eindrucksvoll wie noch nie! Warum? Der folgende Test bringt Licht ins Dunkel!
Die Aufgaben eines Vaters
Den wohl mutigsten und gleichzeitig eindrucksvollsten Sprung macht God of War 4 bei der Geschichte. Nach dem Tod seiner Frau sieht sich Kratos in der Pflicht, ihr ihren letzten Wunsch zu erfüllen und ihre Asche auf den höchsten Gipfel der Welten zu bringen. Ihr letzter Wunsch wird somit zur ersten gemeinsamen Reise von Kratos und seinem Sohn Atreus, den Kratos distanziert „Junge“ nennt. Früh zeigt sich, dass die Reise gefährlicher wird, als gedacht, denn das Zusammentreffen mit einem Fremden, der Kratos nicht gerade wohlgesonnen ist und dem vermehrten Auftreten von Hel-Läufern lässt Schlimmes vermuten. Die Vater-Sohn-Beziehung avanciert schnell zum Kernstück des Spiels und grenzt sich aufgrund starker menschlicher und gefühlsvoller Aspekte enorm von seinen Vorgängern ab. Die Beziehung der beiden Figuren schafft es mit Hilfe eindrucksvoller audiovisueller Unterstützung und inhaltlicher Raffinesse eine ungewohnte, packende narrative Tiefe zu etablieren, die vor allem im Vergleich zu den Vorgängern der Reihe vergeblich Seinesgleichen sucht. Nicht nur durch Cutscenes, sondern vor allem durch scheinbar nebensächliche Dialoge während des Spielgeschehens wird die Vater-Sohn-Beziehung ausgeschmückt und mit Konflikten ausgestattet. So überzeugen viele ruhige Momente vor allem auf emotionaler Ebene und bilden ein Gegenstück zu den immer noch zu Hauf vorkommenden, actiongeladenen Kampfsequenzen.
Diese inhaltliche Neuorientierung bringt viele Vorteile mit sich. Zum einen zeigt sich ein bisher ungewohnter Kratos, der scheinbar vergebens versucht, seine grausamen Taten und Schrecken der Vergangenheit abzuschütteln um der Vaterrolle gerecht zu werden. Zum anderen werden auch Spieler, die keine Erfahrung mit den Vorgängern haben (welche an dieser Stelle trotz allem aufgerufen werden, dies unverzüglich nachzuholen) inhaltlich reibungslos in das Geschehen integriert. Selten wurde eine Vater-Sohn-Beziehung dermaßen eindrucksvoll in einem Videospiel behandelt und setzt somit vor allem im Bereich der Action-Adventure neue Maßstäbe. Toll geschriebene Dialoge und eine überragende deutsche Synchronisation dürften für den ein oder anderen Gänsehautmoment sorgen. Erwähnenswert ist auch die Kamera, welchen großen Anteil an der emotionalen Eingebundenheit hat. Während des gesamten Geschehens wird kein einziges Mal geschnitten und die Kamera befindet sich in unmittelbarer Nähe zu den Hauptcharakteren und fängt somit auch in den emotionalsten Momenten die Mimik und Gestik der beiden Figuren ein, wodurch ein einzigartiges „Mittendrin-Gefühl“ entsteht, was auch in den Kampfsequenzen zu begeistern weiß.