Das 2004 erschienene Far Cry 1, welches damals noch unter Aufsicht des deutschen Entwicklerstudios Crytek (bekannt für die Crysis-Reihe) veröffentlicht wurde, setzte den Grundstein für eine der erfolgreichsten Videospielreihen der letzten Jahre. Die darauffolgenden Veröffentlichungen der Reihe stammten alle aus dem Hause Ubisoft und sind rückblickend für sich genommen alles gute und gelungene Spiele, denen es aber leider oftmals im Vergleich zu ihren jeweiligen Vorgängern an Innovation im Spielgeschehen und der Spielmechanik fehlte. Dass Ubisoft aber auch vor neuen und abgedrehten Inhalten nicht zurückschreckt, zeigen zwei der Ableger der Spielreihe.
Zum einen das 2016 erschienene Far Cry Primal, was in Form eines Steinzeit-Settings einen komplett neuen Weg eingeschlagen hat und zum anderen das Addon von Far Cry 3 „Blood Dragon“ aus dem Jahre 2013, was sich vor allem an bekannten 80er/90er Jahre Filmen orientierte und eine knallbunte, mit Cyber-Drachen und Dinosauriern bevölkerte SciFi-Spielwelt auf den Markt brachte. Ganz so durchgeknallt kommt Far Cry 5 zwar nicht daher, verspricht aber interessante behandelte Thematiken. Der US-Bundestaat Montana darf erkundet und vermutlich auch an der ein oder anderen Ecke zerstört werden, alles um einen Sektenführer von seinen Vorhaben abzuhalten, seine religiösen Überzeugungen zu verbreiten. Und rein zahlentechnisch ist Far Cry 5 schon jetzt ein großer Erfolg. Mit einem bisherigen Umsatz von über 310 Mio. Dollar ist Far Cry 5 der verkaufstechnisch erfolgreichste Teil der Reihe. Schon jetzt wurden mehr als doppelt so viele Exemplare verkauft wie bei Far Cry 4.
Sind diese Zahlen lediglich auf ein gutes Marketing zurückzuführen oder durchbricht der 5. Teil der Action-Adventure-Serie tatsächlich die Gewohnheiten und Prinzipien der allzu bekannten und bisweilen überholten Spielmechanik?
Verrückte Kultisen und mittelmäßige Bösewichte
Die Geschichte findet in Montana, genau genommen in Hope County statt. Zwischen den riesigen Landschaften und weitläufigen Gebirgen treibt eine Weltuntergangssekte namens „Project at Eden’s Gate“ ihr Unwesen. Weltreligiös positionieren tut sich die Sekte nicht, verteilte Kreuze deuten aber auf eine christliche Glaubensbewegung hin. Unter Aufsicht des gleichermaßen charismatischen als auch verrückten Anführers Joseph Seed und dessen drei Geschwistern, zieht die Sekte durchs Land und versucht auf äußerst brutale Art und Weise Ungläubige von ihrer Religion zu überzeugen und schreckt dabei auch nicht vor öffentlichen Hinrichtungen zurück. Die misslungene Verhaftung von Joseph Seed löst einen Bürgerkrieg zwischen den Sektenanhängern und vereinzelten Widerstandskämpfern aus, den es nun zu beenden gilt. Mit Joseph Seed wird die Tradition der wahnsinnigen und ikonischen Schurken versucht aufrechtzuerhalten. Vor allem seit dem Kult-Bösewichten Vaas Montenegro aus Far Cry 3 wird deutlich, wie wichtig ein innovativer und durchdachter Antagonist sein kann. Filmreihen wie James Bond leben geradezu von ihren Bösewichten, welche oftmals einen Konflikt der Zeit verkörpern. So auch Joseph Seed - es ist kein Zufall, dass manche dargestellten Szenarien den Vorgehensweisen der Terrormiliz Islamischer Staat ähneln. Natürlich nicht in ihrer extremen Drastik und Grausamkeit, gewisse Parallelen lassen sich jedoch nicht abstreiten. Und auch der Sektenwahn, der sich in vielen ländlichen Teilen der USA breitmacht, ist bei Weitem kein erfundener Zustand. Grundsätzlich bietet Far Cry 5 also eine spannende Ausgangssituation, der Antagonist in Form von Joseph Seed trägt hierbei aber leider nur bedingt seinen Teil zu bei.
Über weite Strecken des Spiels bekommt man es mit den Geschwistern zu tun, die allesamt nicht das Charisma und die Ausstrahlung eines Vaas oder Pagan-Min (aus Far Cry 4) besitzen. Joseph Seed reiht sich hier leider ein und schafft es nicht, einen tiefgründigen Gegenpart zu bilden. Viele Szenen sind vielmehr auf den Schockmoment fokussiert, was ab und an auch eindrucksvoll funktioniert, inhaltliche Ausgewogenheit sucht man aber leider vergebens. Und auch die Story gerät im Laufe des Spiels immer mehr aus den Fugen und nimmt überzogene Ausmaße an, die mit Sicherheit für den ein oder anderen Spieler wenig nachvollziehbar oder übertrieben sind. Trotz allem bietet das Sekten-Setting einiges an interessanten und klugen Inhalten, die teilweise selbst in ihren Schockmomenten gar nicht so weit von der Realität entfernt sind. Potential für mehr ist aber leider trotzdem ungenutzt vorhanden.
Die schönsten Seiten von Montana
Far Cry 5 sorgte im Vorhinein mit grafisch extrem aufwendig und hochwertig produzierten Teaser Trailern für Aufsehen. Die enorm realistisch aussehenden Ausschnitte, welche die verschiedenen Widerstandskämpfer in Hope County vorstellen, machten geradezu Hoffnung auf eine Grafikrevolution, doch das durfte durch erste offizieller Trailer schnell wieder relativiert werden. Grafisch muss sich Far Cry 5 aber trotzdem nicht verstecken und überzeugt hier in nahezu allen Belangen. Seien es realistische Gesichtsdarstellungen, reibungslose Kämpfe oder eine beeindruckende Landschaftsdarstellung – die Grafik sorgt stets für eine passende und eindrucksvolle Atmosphäre, die von unbefangenen und friedlichen Momenten bis hin zu bedrohlichen, apokalyptischen Sequenzen reicht. Die Cutscenes begeistern mit einer filmischen Inszenierung, längere Ladezeiten können hierbei aber leider eine schön aufbereitete Spannung ein wenig zerstören.
Mit Hope County hat Ubisoft erneut ein tolles Gespür für abwechslungsreiche und beeindruckende Spielwelten bewiesen. Geografisch, als auch inhaltlich wird Hope County in drei Regionen aufgeteilt. Im Norden treibt Jacob Seed sein Unwesen, im Osten sorgt die Schwester von Joseph Seed, Faith Seed für Angst und Schrecken und im Westen bekommt man es mit John Seed zu tun. Alle drei Regionen zeigen die unterschiedlichsten Seiten von Montana und reichen von weitreichenden Weizenfeldern mit engen Flussarmen bis hin zu hohen Gebirgsketten mit verbreiteten Waldflächen – jede Region besitzt ihren ganz eigenen Charme und macht ein freies Auskundschaften glatt zum urlaubsreifen Spielererlebnis (mal ganz abgesehen von den verrückten und gewaltbereiten Kultisten, die auch das schönste Naturszenario zu zerstören versuchen).