Allgemein
Auch ePrison möchte seinen Beitrag zu mehr Transparenz mit entsprechender Färbung leisten. Dazu stellen wir dir die Abgeordneten des Bundestages (MdB) und die Parteien vor, die gegen die Internetzensur gestimmt haben. Leider ist die Internetzensur zur Erschwerung der Erreichbarkeit kinderpornografischer Inhalte derzeit das einzige Thema, das im weiteren Sinne im Interesse der Spieler ist und bei dem durch eine Abstimmung einen Rückschluss auf die Handlungen der Politiker dargeboten wird. Wer nur das Thema Internetzensur zu seinem Motiv für das Kreuzchen bei der Bundestagswahl 2009 macht, der kann sich unter diesem Gesichtspunkt an den aufgelisteten Kandidaten orientieren. Wer jedoch noch an mehr Themen interessiert ist, was nicht unwahrscheinlich ist, dem sei der Wahl-O-Mat ans Herz gelegt. Zusätzlich ist es über den Abgeordneten-Check von Abgeordnetenwatch möglich, seine Übereinstimmung mit den Direktbewerbern für seinen Wahlkreis zu prüfen.
ePrison empfiehlt es, sich über seinen Wahlkreis, die Direktkandidaten und das Wahlsystem genaustens zu informieren. Mit der Erststimme wird der Direktkandidat gewählt. Mit der Zweitstimme die Partei. Der Bundestag setzt sich aus 299 Direktkandidaten zusammen, da derzeit genauso viele Wahlkreise existieren.
Vertuschung der Ursachen und Probleme
Wie viele Kritiker möchte sich auch ePrison nicht der Kritik ausgesetzt sehen, Kinderpornographie zu dulden oder gar zu stützen. Jedoch sehen wir die Internetsperren als äußerst bedenklich an. Nicht zuletzt, weil sie auch im späteren Verlauf die Spielebranche treffen könnte. Das Zugangserschwerungs- gesetz (ZugErschwG) ist noch nicht in Kraft und wird es auch vor der Bundestagswahl nicht sein. Bis zum 8. Oktober hat die EU-Kommission Zeit sich mit den Gesetz intensiv zu beschäftigen und eine Stellungnahme abzugeben.
Über das ZugERschwG soll das Bundeskriminalamt (BKA) in die Pflicht genommen werden, Listen mit kinderpornographischen Seiten zu erstellen. Die Seiten auf den Listen erhalten ein Stopp-Schild, wenn eine Löschung nicht in einer angebrachten Zeit durchgeführt werden kann. Durch diesen Ermessensspielraum kann das BKA also grundsätzlich jeder kinderpornographischen Seite sehr schnell den roten Stempel aufdrücken.
Da die Leute bei der Polizei meist chronisch überbelastet sind, ist der rote Stempel sehr wahrscheinlich die erste Handlung des Staatsapparates. Alleine die Polizei in Berlin hatte bis Ende Juni laut Berliner Zeitung rund 900.000 Überstunden angehäuft. Danach könnte es dazu kommen, dass die Seiten, die technisch ineffektiv über das Stoppschild als indiziert gemeldet sind, in eine Schublade mit anderen Akten gesteckt werden. Hierbei sehen wir mal davon ab, dass es Geld und Zeit kostet, diese Liste einzuführen und sie zu überwachen. In der Zeit könnte die Polizei die Inhalte löschen lassen und die Verantwortlichen Dingfest machen. Durch die Sperrung hingegen kann der Betreiber der Seite sehr schnell erfahren, dass er ins Fadenkreuz des BKA geraten ist und hat es somit leicht unterzutauchen.
Durch die Initiative von Ursula von der Leyen (CDU) können noch einige Phädophile die Inhalte sehen, da davon auszugehen ist, dass sie diese Hürde überbrücken können, weil das Stoppschild leicht zu umgehen ist. Außerdem könnte das Stoppschild als zusätzlicher Magnet für die entsprechende Zielgruppe dienen. Hat eine Seite erst einmal ein Stoppschild, so wird sich der Interessierte dann diesen Webseiten widmen, da die Klicks, die auf die Seite durchgeführt werden, von dem BKA anonymisiert durchgeführt werden. Diese Anonymisierung muss natürlich sein, damit nicht jeder als Tatverdächtiger dasteht, der beispielsweise über Google auf eine solche Seite kommt. Per Liveschaltung kann das BKA alle Benutzer identifizieren, die auf gesperrten Seiten surfen, doch Leute die diese Inhalte sehen wollen, werden wohl auch Proxy-Server kennen.
Hinzu kommt, dass der Besitz und die Beschaffung von Kinderpornographie sogar rückläufig sind. Wie in der Türkei Atatürk benutzt wird, um Internetseiten zu sperren, so könnte es in Deutschland die Kinderpornographie als Hintergrund sein.
Außerdem könnten durch das Gesetz Existenzen unbegründet bedroht werden. Wohlhabendere Personen haben die Möglichkeit auf Basis des Gesetztes zu klagen, auch wenn eine Internetseite - beispielsweise ein Händler, der von Internetgeschäften lebt - keine Kinderpornographie enthält. Würde eine Internetseite zeitweilig gesperrt werden, drohen den vielleicht ärmeren Internethändler Ausfälle, die seine Existenz bedrohen können.
Am wichtigsten ist jedoch, dass die Einführung des ZugERschwG dazu führen könnte, das die Indizierung von Inhalten gang und gebe wird. So möchte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) das Gesetz auch auf die Jugendpornographie, also bei 14- bis 18-jährigen angewandt sehen, berichtete Heise.
Natürlich ertönten von Seiten der CDU laut Gulli schon Stimmen, das noch nicht existierende Gesetz auf so genannte Killerspiele auszuweiten. Das ist zumindest die Meinung von Thomas Strobl, dem Generalsekretär der baden-württembergischen CDU. Doch auch die SPD macht sich nicht besser.
Wenn es nach Jürgen Büssow (SPD), dem Regierungspräsidenten des Regierungsbezirks Düsseldorf geht, sollen Glücksspielseiten zukünftig mit einem Stoppschild versehen werden. Schließlich verdienen die Länder mit dem staatlichen Glücksspielmonopol viel Geld, auch wenn mit Karten, Würfeln oder an den Automaten größtenteils Personen aus der unteren Mittelschicht spielen, womit der Staat die Ungleichheit in der Bevölkerung verschärft, die doch so mancher Politiker gerne bekämpfen würde.
Wie aus dem Artikel weiter hervorgeht, existieren noch weitere "Kandidaten". Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) habe sich gegenüber der Berliner Zeitung geäußert, dass mittelfristig auch über andere kriminelle Machenschaften zu reden sei. Kurz darauf hat er jedoch eine Richtigstellung durchgesetzt, da er angeblich vom Redakteur missverstanden wurde. Auch Wolfgang Bosbach (CDU) hält eine Ausweitung der Internetsperren nicht für ausgeschlossen.
Die Onlinepetition gegen die Internetsperre hat leider zu nichts geführt. Laut Wikipedia erreichte sie schon nach vier Tagen die benötigen 50.000 Signaturen zur öffentlichen Beratung der Petition. Insgesamt hat die Petition gegen die Einführung des ZugERschwG 134.000 digitalen Signaturen erhalten und so möchten wir auf die Internetsperre aufmerksam machen. Das Gesetz kann rein theoretisch von einer Legislaturperiode zur nächsten verfallen.
Die Rebellen
Die folgenden Kandidaten sagten Nein zur Internet-Sperre.
Jochen Borchert (CDU)
Wahlkreis: Recklinghausen II
Wahlkreisnummer: 123
Zu dem Wahlkreis gehören: Datteln, Haltern am See, Herten, Marl, Oer-Erkenschwick
Internetpräsenz: Hier
Diplom-Ökonom Jochen Borchert ist der Sohn eines Landwirtes. Er ist der einzige der 197 Abgeordneten der CDU im Bundestag der gegen das Stoppschild als Überdeckung kinderpornographischer Seiten gestimmt hat.
Dr. Wolfgang Wodarg (SPD)
Wahlkreis: Flensburg - Schleswig
Wahlkreisnummer: 1
Zu dem Wahlkreis gehören: Kreisfreie Stadt Flensburg, Kreis Schleswig-Flensburg
Internetpräsenz: Hier
Dr. Wolfgang Wodarg ist seit 1994 Mitglied des Bundestages. 190 SPD-Abgeordnete haben für die Internetzensur gestimmt, doch der approbierte Arzt nicht.
Steffen Reiche (SPD)
Wahlkreis: Cottbus - Spree-Neiße
Wahlkreisnummer: 65
Zu dem Wahlkreis gehören: Kreisfreie Stadt Cottbus, Landkreis Spree-Neiße
Internetpräsenz: Hier
Steffen Reiche ist gelernter Tischler und Pfarrer. Mit Dr. Wolfgang Wodarg ist Steffen Reiche einer der zwei Abgeordneten, die gegen die Internetzensur gestimmt haben. Er stimmte unter Anderem für das Gesetz, da er befürchtet, "dass andere Staaten die hier entwickelte Software für ihre Ziele missbrauchen können."
Jörg Tauss (Die Piraten)
Wahlkreis: Karlsruhe- Land
Wahlkreisnummer: 272
Zu dem Wahlkreis gehören: Bretten, Dettenheim, Eggenstein-Leopoldshafen, Ettlingen, Gondelsheim, Graben-Neudorf, Karlsbad, Kraichtal, Kürnbach, Linkenheim-Hochstetten, Malsch, Marxzell, Oberderdingen, Pfinztal, Rheinstetten, Stutensee, Sulzfeld, Waldbronn, Walzbachtal, Weingarten (Baden), Zaisenhausen
Internetpräsenz: Hier
Jörg Tauss ist ein sehr umstrittener Charakter des Bundestages. Er wechselte nach 40 Jahren von der SPD zu der Piratenpartei. Seine Immunität vom Bundestag wurde aufgehoben. Gegen ihn wurde seit März diesen Jahres wegen des Verdachtes des Besitzes kinderpornographische Schriften ermittelt. Er hat gegen die Internetzensur gestimmt, wird jedoch als Kandidat nicht erneut antreten.
Gert Winkelmeier (Fraktionslos)
Wahlkreis: Ahrweiler
Wahlkreisnummer: 199
Zu dem Wahlkreis gehören: Landkreis Ahrweiler, westlicher Teil des Landkreises Mayen-Koblenz mit den Städten Andernach und Mayen sowie den Verbandsgemeinden Maifeld, Mendig, Pellenz, Vordereifel
Internetpräsenz: Hier
Auch der gelernte Universalfräser Gert Winkelmeier ist wie Jörg Tauss nicht ganz unumstritten. Aufgrund der Bordellaffäre schied er im Februar 2006 aus der Fraktion der Linkspartei aus. Ihm wurde vorgeworfen, sein Haus an Prostituierte vermietet zu haben. Auch wegen Steuerhinterziehung wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Sein Mandat im Bundestag behielt er jedoch. Bei der Bundestagswahl 2009 tritt er im Wahlkreis Ahrweiler an.
Die Opposition
Ein Großteil der Opposition hat gegen das neue Gesetz gestimmt, doch die Mehrzahl der CDU und SPD überstimmten sie. Bei der Abstimmung zur Internetzensur waren 54 Abgeordnete der FDP im Bundestag anwesend. Sie haben geschlossen mit Nein gestimmt. Sieben gelbe sind nicht zur Wahl erschienen. Bei "Die Linke" stimmten 36 von 53 Abgeordneten gegen die Anfänge der Internetzensur. Der Rest ist nicht erschienen. Das entspricht einer relativ hohen "Ausfallquote" von 32 %. Von den Grünen haben 33 Abgeordnete gegen die Zensur gestimmt, 15 haben sich enthalten und drei waren nicht anwesend.
Theoretisch nein? Praktisch nicht verhindert!
Neben der Opposition und der Regierung existieren noch einige Kandidaten, die sich enthalten haben. Nicht als Kinderporno-Befürworter diskriminiert werden wollte allem Anschein nach Ottmar Schreiner (SPD), wenn seine Worte richtig interpretiert werden: "Ich habe nicht gegen das Gesetz gestimmt, weil ich es richtig und wichtig finde, gegen Kinderpornographie vorzugehen. Ob dieses Gesetz der richtige Weg ist, darf jedoch bezweifelt werden, es ist überdies sehr problematisch, im Netz eine derartige Zensur zuzulassen, die überdies auch noch leicht auf andere Bereiche ausgeweitet werden kann." Neben Herr Schreiner hat sich Ulrich Kasparick (SPD) enthalten.
"Das droht ... mehr zufällig Anwesende als aktiv nach Kinderpornographie Suchende zu treffen." Christine Scheel (GRÜNE)
Ein weiterer Kandidat der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der sich enthalten hat, ist Wolfgang Spanier (SPD). Er wird meist im gleichen Atemzug mit den anderen zwei Abgeordneten genannt. Doch bei ihm liegt der Fall anders. In einer öffentlichen Stellungnahme auf seiner Internetseite erläutert er, dass er "grundsätzlich dieses Gesetz befürworte". Er würde dem Gesetz zustimmen, wenn ein Expertengremium die Exekutive unabhängig kontrolliere.
Neben diesen drei Enthaltungen gab es 15 Enthaltungen bei den Grünen. Christine Scheel (GRÜNE) hat auf Anfrage bei Abgeordnetenwatch zu dem Gesetz Stellung bezogen: "Dass BKA kann sich laut Gesetzentwurf live auf die Stopp-Seite schalten und sehen, von welchen Rechnern auf gesperrte Seiten zugegriffen werden sollte. Durch die seit dem 1. Januar 2008 stattfindende Vorratsdatenspeicherung lässt sich auch nachvollziehen, um welche Nutzer es sich dabei konkret handelt. Das ist ein Mitschnitt, der einer Telefonüberwachung aufs Haar ähnelt - aber ohne richterliche Genehmigung. Es können dann auch strafrechtliche Ermittlungen folgen, weil die Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht auf den Gebrauch von Kinderpornographie sieht. Das droht, wegen der Struktur der Kinderpornoszene und der Umgehbarkeit der Sperren, mehr zufällig Anwesende als aktiv nach Kinderpornographie Suchende zu treffen." Weiter stellte sie fest: "Das Gesetz erfüllt seinen Zweck - die Bekämpfung von Kinderpornographie - also nur sehr begrenzt. Es hat aber erheblich Nebenwirkungen: Die geheim gehaltenen Sperrlisten können durch Fehler völlig legitime und legale Angebote sperren."
Fazit der Kinderpornographie-Aktion
Die rot-schwarze Koalition hat bis auf ein paar Ausnahmen geschlossen die Internetzensur und das Stoppschild fast eingeführt. Zur Koalition gehört nicht nur die CDU, von der 158 Abgeordnete für die Zensur gestimmt haben, und die SPD, bei der sogar 190 Abgeordnete sich rein symbolisch gegen die Kinderpornographie aussprachen. Vergessen sei nicht die CSU bei der 40 von 46 Abgeordneten für die Internetsperre gestimmt haben. Die sechs Abgeordneten, die nicht für das Gesetz stimmten, waren nicht anwesend. Ein Großteil der Oppositionsabgeordneten haben genau diametral dazu gehandelt. Außer bei den Grünen gab es Unentschlossene, die sich nicht entscheiden konnten: Für oder gegen einen deutschen Iran. Die Stimmen der Opposition und einiger weniger Kandidaten der Regierung reichten nicht als Gegengewicht aus, um die Zensur zu verhindern. Insgesamt wurde das Stoppschild-Gesetz mit 389 Ja- zu 128 Nein-Stimmen eingeführt.
Als Resultat dieser Abstimmung wird gerade bei jungen Wählern eine Partei an Zulauf gewinnen: Die Piraten. Als neue Bürgerrechtspartei im Netz sind sie eine Wahl, auch wenn sie es sehr wahrscheinlich (noch) nicht über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen werden. Wer Zensurverhältnisse wie in vielen Teilen der Welt ablehnt, sagt "Nein" zu Internetsperren und "Ja" zur strafrechtlichen Verfolgung kinderpornographischer Videoverbreiter.
KommentareInhalt:Kommentare
Lord|Schirmer19.09.09 06:51
Wirklich gut geschriebener Artikel! Nice Work!
Was mir absolut nicht in den Kopf geht ist, warum dieses nicht nur nationale Problem nicht in der europäischen Gemeinschaft regelt wird. Die Strafverfolgung dieser "Entschuldigung -> Drecksäcke" sollte doch international geregelt und überwacht sein! Eine nationale Überwachung und mögliche Erweiterung auf andere unerwünschte Internetpresentationen in dieser Art kann doch nicht Sinnhaft und Zielführend sein!
Ich frag mich immer wieder was hier für Experten im Ausschuß saßen und hier die Umsetzung, Auswirkungen und Möglichkeiten recherchiert und überdacht haben!
Was mir absolut nicht in den Kopf geht ist, warum dieses nicht nur nationale Problem nicht in der europäischen Gemeinschaft regelt wird. Die Strafverfolgung dieser "Entschuldigung -> Drecksäcke" sollte doch international geregelt und überwacht sein! Eine nationale Überwachung und mögliche Erweiterung auf andere unerwünschte Internetpresentationen in dieser Art kann doch nicht Sinnhaft und Zielführend sein!
Ich frag mich immer wieder was hier für Experten im Ausschuß saßen und hier die Umsetzung, Auswirkungen und Möglichkeiten recherchiert und überdacht haben!
Erstellt von Pencil
Zuletzt online: 3 Jahre 9 Monate
Kategorie:
Kolumne
Veröffentlicht
Aktualisiert
18. 09. 2009 um 20:23
18. 09. 2009 um 20:23
Einzelaufrufe
50
ePoints verdient durch Artikel
Wie sagte einst ein Zauberlehrling: "Die ich rief die Geister, werd ich nun nicht los."